Reisebericht Norwegen 2005

Von
Camillo Steinhilber

Norwegen 2005 - Der Weg nach Norden

Mit der Rennpappe von Eilenburg zum Nordkap


Wie alles begann…

Ich weiß nicht mehr genau, wie alt ich damals war, als mir mein Großvater ein altes Buch zeigte, das Bilder eines Landes hoch oben im Norden zeigte, von dem er mir so oft schon erzählte. Es muss noch im Kindergartenalter gewesen sein, denn ab dem Zeitpunkt konnte ich mir ein ungefähres Bild davon machen. Was ich darin sah, brachte meine Augen voller Erstaunen und Überraschung zum Leuchten. Er war vor vielen Jahren dort, stationiert im 2. Weltkrieg als Angehöriger der Luftwaffe. In seiner 3.Staffel des Kampfgeschwaders 30 war er unter anderem in Bardufoss und Banak (Norwegen) sowie in Kemi (Finnland) und wartete in seiner Funktion als Bordmechaniker die eingesetzten Junkers Ju 88 A - Bomber.

Sehr oft hat er mir von diesem wunderschönen Land erzählt, es muss ihn überaus fasziniert haben. Er sprach von den tiefblauen Fjorden, schneebedeckten Bergen und Seen, den großen Entfernungen, den warmen Sommern, in denen die Sonne nicht hinter dem Horizont abtaucht, den eisigen Wintern mit dem sagenhaften Polarlicht samt der langen Dunkelheit und dass er sehr gern einmal wieder dahin reisen möchte. Am liebsten mit den Postschiffen der Hurtigruten, die entlang der Eismeerküste von Bergen im Süden bis nach Kirkenes im äußersten Osten fahren. Aber noch viel lieber mit dem Flugzeug, wie konnte es auch anders zu erwarten sein. Allerdings muss ich auch anmerken, dass er den Maschinen mit Turbinenantrieb nie so recht vertraute, ein unverwüstliches und damit Vertrauen erweckendes Hubkolbentriebwerk mit Propeller ist schon eher nach seinem Geschmack. Vor der Wende 1989 verhinderte es das politische System, heute sein hohes Alter. So recht vorstellen konnte ich mir dieses Land nicht, als hohe Berge kannte ich damals allenfalls das Riesengebirge und die Alpen von Bildern, letztere sollte ich erst viele Jahre später sehen. Die unglaublichen s/w-Aufnahmen sollten das schlagartig ändern. Danach konnte ich ihn gut verstehen, allerdings ging ich niemals davon aus, all das je zu Gesicht zu bekommen. Wie auch immer, die Jahre vergingen, ich wurde älter, doch im Hinterkopf schwelte dieser Gedanke an das lang gestreckte Land im Norden. Die Geographie und damit verbunden selbstredend Karten sowie Atlanten aller Art interessieren mich seit jeher. Ich konnte es mir nie verkneifen, in einem Europaatlas die Planungskarten mit den großen Maßstäben aufzublättern, um einen Blick nach Norwegen zu riskieren…

Die Vorhaben

Als ich endlich einen Mopedführerschein hatte, schwante mir schon der Gedanke, einfach mit meiner "Simson" hochzufahren. Allerdings sprengte dieses Vorhaben mein finanzielles Budget, denn ich bekam nie Taschengeld. Das Vertrauen in die Technik war da, aber ich muss wohl nicht erwähnen, dass meine Eltern mich für wahnsinnig hielten. Jedenfalls schrieb ich Simson Suhl an, ob sie mich unterstützen würden, sie antworteten mir sogar. Begeistert waren sie, doch machten sie mir keine Hoffnung auf Sponsoring, da sie sich einerseits "in Auflösung" befanden und andererseits Mopeds für Kurzstrecken bauten. Es wurde also nichts! Ich machte mein Abi, mittendrin den Autoführerschein, und hatte noch immer kein Geld für die Tour. Die Bundeswehr glimmte als Hoffnungsschimmer, im Grundwehrdienst bekam ich mein erstes regelmäßiges Geld. Währenddessen ließ ich es mir nicht nehmen, mit der Simson meine österreichischen Bekannten bei Steyr zu besuchen. Was mit einer Wette begann, wurde prompt von mir durchgezogen. Start war in Mügeln bei Oschatz, dann fix nach Hof, die Strecke bin ich wenigstens sechsmal zu meiner Uroma gefahren, dort übernachtet und weiter nach Regensburg in die Kaserne. Am Pfingstwochenende ging es über Passau nach Österreich. Die Grenzer schauten mich komplett ungläubig an, sie konnten nicht verstehen, wie ich mit "dem Ding" (?) bis dahin gekommen war. Zurück ging es mit Zwischenstation Regensburg, von da ab nonstop über die Tschechei nach Mügeln. Nach der Bundeswehr 1996 wollte ich dann mit einem Kumpel, meinem Bruder und einem Wartburg 1.3 aufbrechen. Dazu hätten wir sehr günstig einen Wohnwagen (Queck Junior) bekommen können. Das scheiterte daran, dass mein Freund keinen Urlaub bekam. Aus "Trotz" haben wir dann eine Alpentour durch Südtirol gemacht und sämtliche sich anbietenden Pässe mitgenommen, der Wartburg ging erwartungsgemäß wie ein Uhrwerk…

Das Auto

steinhilber001 Mein Studium begann 1996, die Finanzlage war chronisch angespannt, das Vorhaben rückte in weite Ferne. 1998 haben wir eine Österreich-Schweiz-Tour mit eben dem Trabant P 601 "Universal" gemacht, der uns zum Kap bringen wird. Allerdings im bedauerlichen optisch-technischen Zustand als "Firmenauto" meines Vaters. Wir haben ihn geschenkt bekommen, unter dem Schleppdach sah er so vollkommen verdreckt einfach Mitleid erregend aus. Gestartet sind wir mit einem Ersatzrad, einem Keilriemen und einer Hand voll Zündkerzen, praktisch ohne jede Vorbereitung. Wo bleibt da auch die Herausforderung? Fast 2 Jahre war er mein Begleiter als Bettelstudent. Als mein Bruder den Führerschein machte, baute er ihn in akribischer Kleinarbeit komplett neu auf. Wie ich schon sagte, es war eine "Betriebsleiche", ein Baufahrzeug, runtergekommen, betrieben fast nur auf Feldwegen als Kundendienstauto für Landmaschinen. Das sollte sich sehr bald ändern. In den Papieren steht als Erstzulassung der 18.Oktober 1963, original sind aus dieser Zeit allenfalls die Sitze. Wir steckten also in der Zwickmühle zwischen originalgetreuem Aufbau oder "leichten", aber alltagstauglichen Umbau. Entschieden haben wir uns für letzteres, so ging es an die Arbeit. Alles begann mit der Neulackierung in einem satten Grün-Ton verbunden mit dem Anbau einer neuen Front- und Heckschürze sowie Seitenschwellern. Etwas später wurde noch ein Sportvorschalldämpfer und ein ungedämpfter Luftfilter angebaut, die Vorderachse wurde der Straße um 50 Millimeter näher gebracht. Das Resultat konnte und kann sich wirklich sehen lassen. Das Mulde-Hochwasser im Jahre 2002, das auch Eilenburg ereilte, hätte alle Arbeit zunichte machen können, wenn nicht in buchstäblich letzter Minute das Auto aus der Garage geholt worden wäre. Die braunen Fluten standen fast 1.40 m in der Garage, nur Dachwölbung und Antenne hätten aus dem Wasser geschaut. Glück gehabt, nichts passiert! Nach dem Deichbruch des Mühlgrabens konnte man den rasanten Wasseranstieg beobachten, der im Garagenkomplex einigen Autos das "Leben" kostete. Damit nicht genug wurde technisch alles überholt, was machbar war. Über das Himmelfahrt-Wochenende 2004 haben wir uns in den Kopf gesetzt, zum internationalen Trabanttreffen nach Valverde di Cesenatico an der italienischen Adria zu fahren. Für die reichlich 1100 Kilometer haben wir uns für eine abwechslungsreiche Strecke entschieden. Auf der Landstraße ging es zu unseren Bekannten nach Österreich, von da über die Großglockner-Hochalpenstraße, die uns mit schlechter Sicht und rauchenden Bremsbelägen auf der Vorderachse zu ärgern versuchte, und den Plöckenpass nach Italien rein. Der Versuch, die lädierte Bremse am Samstag in Österreich zu reparieren, war zum Scheitern verurteilt. Die halten es nicht für nötig, am Wochenende eine Werkstatt zu öffnen. Wir hatten alle Teile mit, nur keinen Schlagschrauber für die Radnabe. Diese mit dem Ringschlüssel zu lösen, birgt die potentielle Gefahr des Abrutschens und somit der Lackzerstörung, was das unweigerliche "Frühableben" meinerseits, hervorgerufen durch meinen Bruder, zur Folge gehabt hätte. Das hieß im Klartext, bei strömendem Regen mit der bis zum Anschlag nachgestellten Handbremse und bockendem Motor im Schiebebetrieb über den Plöckenpass zu fahren. Es war wirklich sehr still im Auto auf den Gefällekilometern! In Tolmezzo haben wir bei Peugeot offene Türen gefunden, sie schauten zwar total erstaunt, als sie das Auto sahen, halfen uns aber sehr entgegenkommend. Nach einer vierzigminütigen Bremsenüberholshow, die mit dem geliehenen Schlagschrauber, unseren Ersatzteilen und dem Drehmomentenschlüssel generalstabsmäßig klappte und zu der die komplette Werkstatt zusammenlief, konnten wir die Fahrt plangemäß fortsetzen. Ein paar weniger hohe Nebenstraßenpässe brachten uns in Richtung Süden bis kurz vor Venedig und an der Adria entlang bis Valverde di Cesenatico. Das Treffen selbst war sehr angenehm, top organisiert und erstaunlich familiär. Der Besuch von San Marino stand natürlich auf dem Programm, schließlich sind wir nicht jede Woche dort. Der Heimweg brachte uns auf der Landstraße zum Gardasee, entlang der Gardesana Okzidentale nach Riva, über Trento, Bozen und den Jaufenpass bis zum Brenner. Der letzte Südtiroler Pass musste uns mal wieder mit der Bremse ärgern, ab Sterzing (Vipiteno) ging es dann nur noch mit der Handbremse weiter. Der Brenner war nicht weiter kritisch, der Scharnitzpass nach Garmisch ebenso nicht. Wir haben uns dann für die Autobahn entschieden, um die Bremserei von vornherein zu minimieren. Durch München sind wir auch gut gerollt, der Rest war unproblematisch. In Eilenburg angekommen, waren wir uns wieder einig, doch noch fahren zu können. Mit meinem Citroen ist das nach wie vor richtiggehend anspruchslos! Schuldig war ein fester Radbremszylinder, nicht, wie von mir fälschlicherweise angenommen, die vorderen Radlager, was man im "Flachland" überhaupt nicht bemerkt, in den Bergen sehr wohl! Im Klartext: Die Vorbereitung ließ doch sehr zu wünschen übrig und wir haben viel Arbeit! Im letzten Winter überholte Robbi, mein Bruder mit dem Spitznamen "Bemme", das komplette Getriebe und alle Lagerungen der Vorderachse. Alle Achtung, denn es funktioniert tadellos und wird mitfahren. Momentan ist die Pappe in absoluter Bestform, nur mein Bruder hat noch leichte Bedenken deswegen. Er malt meistens ein wenig schwarz, das liegt wohl in der Familie…

Die Tour

Die Strecke steht fest, ich habe sooft die Karten studiert, dass ich vermutlich ohne sie auskommen könnte, was ich natürlich dennoch nicht machen werde. Das Internet ist ebenso eine praktische Hilfe. Reiseberichte und Erfahrungen anderer Nordkapfreunde sind eine echte Bereicherung und machen uns das Leben wesentlich leichter. Als einziges Zeitproblem der Reise steht der Fährtermin am 15. August um 8 Uhr ab Hirtshals (Dänemark). Diese habe ich vorsichtshalber per Internet vorgebucht, ich war nicht scharf darauf, viele Stunden auf einen Fährplatz zu warten. Der weitere Weg folgt mehr oder weniger dem Eismeer in unterschiedlichen Entfernungen zur Küste. Im Süden werden wir ein paar Städte besuchen, doch stehen die landschaftlichen Höhepunkte im Vordergrund, da ein Kulturtrip wesentlich kostenintensiver ist und wir mit unserem Budget sowie der "praktischen" Garderobe kaum ein Konzert besuchen können. Die eigentliche Reiseplanung hatte ich jedoch schon Jahre vorher im Kopf, der Bildband zieht sich wie ein roter Faden durch das lang gestreckte Land von Süd nach Nord. Demzufolge werde ich meinem Opa und mir einen kleinen Traum erfüllen und so viele Motive aus dem Buch, wie nur möglich, in Farbbildern zu verewigen. Aus diesem Grunde haben wir neben dem herkömmlichen Fotoapparat Digitalkamera und Videokamera dabei. Die Akkus von Telefonen und Kameras halten natürlich nicht ewig, was aber kein Problem ist. Mein Schwiegervater stellte uns zu diesem Zwecke seinen wirklich kompakten und sehr praktischen Notstromerzeuger zur Verfügung. Mit seinen Abmessungen haben wir das Utensil auch gleich "Kraftwürfel" getauft, es sollte sich in vielerlei Hinsicht noch als sehr praktisch erweisen. Mein Bruder hat, von Zweifeln aller Art geplagt, förmlich bis zur letzten Minute geschraubt. Die Rücksitzbank und die hintere Hutablage mussten raus, der Stauraum war unverzichtbar. Damit verbunden musste die am Sitz angebrachte Endstufe sowie die Bassrolle raus, was meinen Bruder die Tränen in die Augen drückte, wurde doch soeben die hausabrisstaugliche "Stanze" zu einem ordinären Autoradio "kastriert". Der Einwand, dass man beim Fahren umbaubedingt vermutlich nichts mehr hören wird, war ja nicht von der Hand zu weisen. Unser degradiertes Radio haben wir später noch "Jazzer" getauft, natürlich mit deutscher Aussprache, also gesprochen wie gelesen. Als ich dann am Mittag vor der Abreise das ganze Gepäck auf einem Haufen sah, verabschiedete ich mich komplett von dem Gedanken, im Schlechtwetterfall im Auto schlafen zu können. Als nach gut zwei Stunden alle Ersatzteile, Werkzeug, Reserverkanister, Mischöl und sämtliche "alchimistischen" Spritzusätze, Lebensmittel, Zelt, Schlafsäcke und Reisetaschen verstaut waren, so war das Auto schon ohne "Besatzung" überladen!? Es hatte nur noch wenige Stunden zum Ausruhen, bevor es dann so einiges zu leisten hatte. Ich glaube, wir haben alle, der Trabbi, mein Bruder und ich, keine Minute Schlaf gefunden in dieser letzten Nacht vor dem Aufbruch…

Tag 1 - 14. August 2005 - "Gewaltmarsch" nach Hirtshals

steinhilber002 Der Wecker kreischt los, wirklich gebraucht haben wir ihn nicht, vor lauter Aufregung ist keiner zum Schlafen gekommen. Von Müdigkeit ist nichts zu spüren, total aufgedreht schlürfen wir den heißen starken Kaffee und kauen an den Brötchen. Wer weiß schon, wann es das nächste "gesittete" Essen gibt? Sicher ist sicher! Mit saftiger Verspätung, wir schaffen es vermutlich nie, pünktlich zu derartigen Vorhaben zu starten, kommen wir an der Garage an. Es ist stockdunkel, nirgendwo Licht, wir fummeln an den Schlössern rum und reißen das Auto aus dem Tiefschlaf. Als ersten Fehlschlag empfinden wir das Fehlen der Schlüssel. Na prima, es fängt gut an! Nach ein paar Minuten Geschrei und Schuldzuweisung findet sich alles wieder, selbst die Papiere. Sogar die Polizei schaut auf der Streife mitten in der Nacht vorbei, interessiert sich aber nicht weiter dafür. Ich frage mich, was man noch anstellen muss, um sie "anzulocken"? Es reicht offensichtlich nicht aus, in stockfinsterer Nacht ohne Licht zu zweit ein Auto aus einer unbeleuchteten Garage zu schieben. Das gibt mir zu denken! Um 3 Uhr 50 ist es soweit, wir lassen den Motor an. Mit dem Kilometerstand 74.400,5 beginnt die Reise. Den ersten Teil des Tages fahre vorsichtshalber ich, mein Bruder ist "etwas" nachtblind…
Noch vor der Auffahrt zur A 14 Leipzig - Messegelände frage ich mich, was ich hier gerade mache. Der Ofen zieht mit der Beladung überhaupt nicht und im 4. Gang bekomme ich geradeso einen Finger zwischen Lenkrad und Schalthebel. Und dann mit 80 auf der Autobahn "parken"!? Das kann alles heiter werden, doch ich tröste mich mit der Tatsache, dass alle großen Touren mit diesem Auto so begonnen haben. Ein chinesisches Sprichwort besagt, dass auch ein Marsch von 1000 Meilen mit einem einzigen Schritt beginnt, und ich weiß aus Erfahrung, dass sich ein Eichhörnchen zuweilen sehr mühsam ernährt. So schleichen wir dann dahin, die A 14 bis Magdeburg, dann die A 2 Richtung Hannover. Nach 180 Kilometern Fahrstrecke kommen wir in Niedersachsen an und befahren das "Ungläubigengebiet" bei strömendem Regen. Irgendwo auf dem Weg zwischen Hannover und Hamburg lauschen wir dem lauter werdenden Klingeln des Motors. Das passiert häufiger, denn der Sprit ist nicht immer so toll, wie die Mineralölindustrie ihn anpreist. Klopfsteuerungsverwöhnte Viertaktfahrer bemerken das nie, wir hingegen schon. Vorsichtshalber halten wir auf einem Parkplatz an, der Pilzluftfilter ist noch da, daran liegt es nicht. Eine der Kerzen hat einen Ansatz zur Zweitaktbrücke, "Popel" genannt. Das lässt sich leicht beheben. Ein Blick in den Tank lässt uns erschrecken, 3 Liter nur?! Bingo, der Benzinhahn steht nicht senkrecht, sondern etwas zu weit offen, das heißt, die Reserve war leicht geöffnet und wir wären ohne Vorwarnung auf der Autobahn stehen geblieben. Wir kippen den Ersatzkanister hinein und sind nach 425 Kilometern in Hamburg angekommen. Es ist 10 Uhr, kaum Verkehr und der Himmel scheint aufzureißen. An den Landungsbrücken finden wir einen Parkplatz, und die ersten gemischten Reaktionen. Von weniger dezent wegschauend über naserümpfend bis Begeisterung war alles enthalten. Zuerst erkunden wir den alten Elbtunnel zu Fuß, denn der ist dummerweise am Sonntag für Kraftfahrzeuge gesperrt. Das sollte uns noch in leichte Schwierigkeiten bringen, doch dazu später mehr. Die eine Seite fahren wir per Fahrstuhl hinab, laufen unter der Elbe hindurch steinhilber003 und kommen auf der anderen Seite an. Die Tore der Traditionswerft von Blohm & Voss sowie deren Schwimmdock liegen dort, der Blick auf die Landungsbrücken sowie die Überseebrücke mit den schwimmenden Museen "Rickmer Rickmers" und "Cap San Diego" entschädigen uns für diese Mühen. Auf der St.-Pauli-Seite nehmen wir die Stufen, dadurch wird die Tunneltiefe greifbarer. In beiden Schächten sind umfangreiche Sanierungsarbeiten an den Aufzügen im Gange, von den alten Anlagen ist vieles in Planen verhüllt und versperrt die Sicht darauf. Die Sonne bahnt sich ihren Weg durch die Wolken und erlaubt uns ein Mittagessen im Freien mit Blick auf die Norderelbe sowie dem hektischen Fähr- und Hafenrundfahrtverkehr. Wir genießen den erstaunlich geringen Betrieb und fangen ein paar Sonnenstrahlen ein. Der weitere Weg sollte uns an sich durch den Tunnel in Richtung Köhlbrandbrücke führen, was leider nicht möglich war. So verfahren wir uns ein wenig, denn ich dachte nicht daran, dass wir so sonderbar durch den Freihafen fahren mussten, um zur besagten Brücke zu kommen. Nach einer totalen Verfahrung mitten in Veddel fragen wir nach dem richtigen Weg, und finden ihn sogar! Dummerweise ist die Hochbrücke wegen Filmdreharbeiten halbseitig gesperrt, was den Blick nach Norden erschwert, aber auch den Vorteil einer Tempobegrenzung hat, sodass wir besser mit der Videokamera filmen können. Der Autobahntunnel unter der Elbe hindurch war weniger spektakulär, als der Altonaer. Nun geht es nur noch nach Norden, wir haben streckenmäßig noch nicht einmal Halbzeit. Mit unserem "Topspeed" kommen wir scheinbar nie an, es ist entsetzlich langweilig. An Schlaf ist ebenso nicht zu denken, Kopfstützen sind nicht vorhanden, vom Lärmpegel möchte ich lieber nicht beginnen. Vor der dänischen Grenze tanken wir noch alle Behältnisse voll, die wir mitführen, und machen eine kleine Bastelstunde. Zuerst verschiebe ich die Schaltstange, das ist kein Zustand! Der Scheibenwische nervt mit seinen "Halteproblemchen" auf dem Gestängekonus gewaltig. Es wäre ungünstig, ihn zu verlieren, wir könnten ihn durchaus noch brauchen. Endlich in Dänemark angekommen, entspannt sich die Lage ein wenig. Das Wetter wird immer besser und die dort geltende Geschwindigkeitsbegrenzung suggeriert uns nun endlich nicht mehr, scheinbar zu "stehen". Als kleines Erfolgserlebnis "versägen" wir ein uraltes, klappriges Wohnmobil. Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass wir mit zunehmender Entfernung vom "Verbreitungsgebiet" immer mehr zur Attraktion werden. An jedem Parkplatz sind wir im allgemeinen Interesse, die Insassen der überholenden Autos schauen erstaunt herüber. Punkt 21 Uhr sind wir in Hirtshals aufgeschlagen. Supertiming für den Sonnenuntergang, allerdings auch für endgültigen Spritmangel am Boulevard. Bemme fotografiert, ich besorge Sprit. Aber wo? Mit Englisch kommt man gut weiter, nach wenigen hundert Metern werde ich fündig. Der Kanister wird auf dem Rückweg allerdings mit jedem Schritt schwerer. Wieder flott sehen wir noch nach dem Fährterminal, um am nächsten Morgen nicht unnötig suchen zu müssen. Wenige Kilometer südlich finden wir einen Waldweg, den wir als Nachtlager auswählen. Nach ein paar Notizen in mein kluges Buch schlafen wir todmüde ein. Die 991 Tageskilometer waren daran sicher nicht unschuldig…

Tag 2 - 15. August 2005 - Die Überfahrt und andere Überraschungen

steinhilber004 Trotz der Müdigkeit bin ich mit einem Auge munter, man kann nie wissen. Noch bevor der Wecker Punkt 6 Uhr Alarm schreit, höre ich schnelle Schritte am Zelt. Entwarnung, nur ein Jogger. Dennoch muss er wohl kurzsichtig sein, denn er hat das Zelt an einem Hering gestreift, und diesen verbogen. Wir stehen auf und bauen ab. Der Jogger war eine Frau, die uns auf ihrem Rückweg ein paar Brocken in Dänisch entgegensetzt, ich entschuldige mich und wir fahren zur Fähre. Das Einchecken war unspektakulär, an der Fährrampe sitzen wir leicht mit dem Spoiler auf und vernebelen das halbe Deck. Sehr zu Gunsten meines Bruders wurden wir nicht "eingestapelt", es ist genug Platz um sein bestes Stück. Nun kann uns eigentlich nur noch der Untergang der Fähre aufhalten! Gewaschen haben wir uns auf der Fähre, im Anschluss haben wir umgehend und gut 2 Stunden das Brunchbuffet geplündert. Auf der weiteren Fahrt galt es im Windschatten des Schornsteins Pigmente zu haschen. Das etwas einseitige Schraubenwasser bewahrheitet die Ansprache des Kapitäns, "engine trouble". Da hat das Schiff schon vier Maschinen und eine fällt aus!? Derartige Eskapaden können wir uns nicht leisten! Die Passage dauert eine Stunde länger als geplant. Vor dem Verlassen der Fähre kommen wir noch mit einem Briten und seinem Sohn ins Gespräch. steinhilber005 Er will in der Kürze der Zeit wirklich alles über das Auto wissen, denn sein Sprössling gedenkt, sich einen Trabant zuzulegen. Lobenswerte Ansätze auf der Insel! Erwartungsgemäß sitzen wir nochmals auf, doch der gleißende Sonnenschein in Kristiansand entschädigt für alles. Mit dem verdutzten Blick des Zöllners im Rücken schlagen wir den Weg nach Lindesnes ein, dem südlichsten Punkt des Landes. Schon die Landschaft im Süden ist berauschend, nicht so flach und langweilig als noch am Vortag. Nach einer Berg- und Talfahrt auf wunderbar kurvenreichen Straßen erreichen wir das Kap Lindesnes. Das ganze Areal rund um den Leuchtturm ist ein Freilichtmuseum mit überdachten Ausstellungen zu einheimischer Natur, Landwirtschaft und Schifffahrt, den Resten einer deutschen Verteidigungslinie und natürlich dem Turm selbst. Sehenswert ist auch das weißgetünchte unscheinbare Bauwerk, das alte Kohlenfeuer, das den Schiffen lange vor dem modernen Leuchtturm den Weg wies. Die Szenerie mitsamt vor gelagerter Schären wird von Sonnenschein, stürmischen Winden und den schaumgekrönten Wellen des Skaggerak umrahmt. Am Parkplatz steht ein Wegweiser in Richtung "Nordkapp" mit der Entfernungsangabe 2518 km, allerdings ist hier die Luftlinie gemeint. Wir heben einen "etwas" weiteren Weg vor uns. Am frühen Abend erleben wir eine sehr angenehme Überraschung, als wir an einer Tankstelle anhalten. Da steht doch wirklich ein Trabant 600 mit norwegischen Kennzeichen direkt vor uns! Der Besitzer war schon fast auf dem Heimweg, hält aber sofort an und kann es kaum fassen. Was dann passiert, muss man erlebt haben. Das halbe Dorf läuft zusammen, staunt, fragt und fotografiert wild durcheinander. Olav, so heißt der stolze Besitzer, erklärt uns, dass er das Auto aus Ungarn per Trailer geholt hatte und es in Norwegen nur aufgrund der Oldtimerzulassung fahren darf, andernfalls verstößt er gegen die Abgasnorm. Zwei Trabbis auf einem Haufen sieht man da steinhilber006 nun wirklich selten. Wir erzählen und fachsimpeln sicher eine Stunde, bevor wir wieder in Fahrt kommen. Beim Tanken ergibt sich das nächste Problemchen, unsere erstgetauschten Kronen reichen nicht und meine EC-Karte nützt auch nix!? Nur Master oder Visa. Nach kurzer, aber lustiger Verhandlung zahle ich die Differenz mit gutem Kurs in Euro, die man im Süden gerade noch so akzeptiert. Wir folgen Olav, denn er bringt uns zu einem sehr idyllischen Biwakplatz in Hauge i Dalane. Zwischendurch ruft er noch den Bürgermeister an, denn wir sollten auf seinem Grundstück zelten und den Pool nutzen können, er erreicht ihn aber nicht. Eine kleine Stadtführung durch den historischen Ortskern, der nur aus bunten Holzhäuschen besteht, folgt umgehend. Danach übernachten wir an einem Platz direkt am Meer an der Dalane-Mündung, einem der unzähligen Lachsflüsse. Nach dem gestrigen Gewaltmarsch sind die heutigen 229 Kilometer der blanke Urlaub, wie es ab Kristiansand auch geplant war.

Tag 3 - 16. August 2005 - Nordsee, Stadt und Berge

steinhilber007 Der Dienstag beginnt mit bedecktem Himmel und kühlen Temperaturen. Am Ende des kleinen Hafenbeckens habe ich am Vorabend eine Toilette und Wasser zum Waschen entdeckt. Der heiße Kaffee aus der Blechtasse weckt die Lebensgeister, die letzten belegten Brote gehen zur Neige. Unser erklärtes "Tagesziel" bedeutet das unumschränkte Aufessen aller Vorräte, natürlich aufgeteilt in Tagesrationen, denn das Auto ist zu schwer. Es ist übrigens die einzige Möglichkeit der Gewichtsverringerung, alles Andere ist komplett unverzichtbar. Am Wasserschlauch muss ich meinen Bruder davon abhalten, sein geliebtes Auto zu waschen. Erstens muss das nicht unbedingt in der freien Natur sein und zweitens haben wir nicht einen halben Tag Zeit dafür, denn er ist da Perfektionist ohne Ende. Die verendeten Insekten an der Vorderseite und den Staub am Heck entfernen wir selbstredend. Der weitere Weg führt uns wieder zurück über den Lachsbach, durch das Holzhausstädtchen entlang der Nordseestraße nach Stavanger. Dieser Teil des Landes erinnert mich eher an Holland, als an das Land der spitzen schneebedeckten Berge. Grüne Wiesen mit gelangweilt wiederkäuenden Kühen, Bauernhöfe, komplett flache Landschaft mit Hügeln in der Ferne und Seitenwind ohne Ende. Von der Nordsee sehen wir nur wenig. Der Stadtring von Stavanger ist mautpflichtig, also bezahlen wir die 12 Kronen. Ein paar Kilometer später kommt die nächste Station, eine Frau gibt mir im gebrochenen Englisch den Hinweis, dass, wenn wir schon bezahlt haben, nicht wieder bezahlen müssen. Wir heizen also durch und siehe da, eine rote Ampel leuchtet auf. Na Bingo, die Kamera obendrauf kann das kaum übersehen haben! Ein wenig später kommt die nächste Station und wir bezahlen vorsichtshalber. Endlich im Zentrum angekommen nehmen wir das Parkhaus, wissen aber auch, dass wir das Auto stehen lassen müssen, wenn wir keine Bank finden, in der wir tauschen können. Wir bummeln durch die Altstadt, am Hafen entlang und sind auf der Suche nach der Bronzestatue des dort geborenen Dichters Alexander Kielland. Laut Reiseführer wissen wir, wo sie steht, sind aber wenige Meter daran vorbeigegangen, da wir sie übersehen haben. Im zweiten Anlauf finden wir sie und machen ein paar Erinnerungsfotos. Es ist ein sonderbares Gefühl, genau aus derselben Perspektive zu fotografieren, wie es 65 Jahre zuvor geschah, denn dieses Bild ist im besagten Buch zu finden. steinhilber008 Unweit der Statue steht der Dom zu Stavanger, der neben dem Nidarosdom zu Trondheim als das bedeutendste mittelalterliche Sakralbauwerk Norwegens gilt. In den unzähligen Souvenirläden finden wir auch prompt die ersten Trolle, die mir sofort gefallen. Allerdings haben sie auch eine stolze Preislage… Stavanger ist die Ölhauptstadt des Landes, im Zentrum ist davon nichts zu spüren. Die Werften der Region bauen und reparieren Bohrplattformen, die meisten liegen vor der Stadt und sind aus unserer Perspektive nicht zu sehen. Es dauert eine Weile, bis wir endlich eine Bank finden. Der Automat will mal wieder meine Karte nicht, also müssen wir zum Schalter. Der Kurs ist wahrlich nicht prickelnd und die aufgeschlagene Umtauschgebühr auch nicht unbedingt günstig, aber wir brauchen nun mal Kronen. Nachdem wir die Pappe "ausgelöst" haben, verlassen wir die Stadt auf einer autobahnähnlichen Schnellstraße. Nur weg da, der Verkehr ist wie bei uns! Glücklicherweise wechseln wir zu Gunsten einer schönen Nebenstraße zur ersten Inlandsfähre. Die Passage über den türkisblauen, mit hohen Bergen eingerahmten Lysefjord ist kurz, aber sehr sehenswert. Nach ein paar Kilometern auf der anderen Seite mit unzähligen Kurven erreichen wir den Parkplatz zum Preikestolen, einer kleinen Aussichtskanzel gut 600 m senkrecht über dem Fjord. Der steinhilber009 zweistündige steile Aufstieg über Stock und Stein war anstrengend ohne Frage, doch die Aussicht entschädigte wirklich für alles. Immerhin blieben wir unter der Zeitvorgabe, aber mein Bruder mag nun mal keine Berge, auf die weder Rolltreppe noch Fahrstuhl führen. Oben angekommen besänftigt ihn die Natur wieder. Um noch bessere Fotos zu bekommen, steige ich noch über die Kanzel hinaus, was ich nicht bereut habe. Kurz vor dem Abstieg muss ich noch ein Foto von mir haben. Sitzend am Abgrund, die Beine hängen herunter. Ich bin ja nicht jeden Tag dort! Das trauen sich wohl die Wenigsten, von denen, die wir dort treffen, anscheinend nur ich. Der Abstieg ist ebenso anspruchsvoll, da der Pfad stellenweise glitschig war und loses Geröll überall zu finden ist. Kurz vor dem Parkplatz kommen uns zwei japanische Pärchen entgegen. Wie die beiden Frauen mit den hohen Schuhen bis dahin gekommen waren, ist ein Wunder schlechthin, nur wissen die wohl kaum, was sie noch erwartet. steinhilber010 Direkt am Parkplatz brechen noch vier Deutsche auf, sie haben an der Tafel wohl nur die Angabe 3,6 Lilometer gelesen, der Höhenunterschied beträgt etwas über 300 Meter und die Gehzeit von zwei Stunden ist ganz klein geschrieben. Sie sind mit Sicherheit nicht vor der Dunkelheit zurück gewesen. Wenige Kilometer weiter Biwaken wir an einem kleinen See, Preimsvatnet mit Namen. Meinem Bruder geht es nicht so gut, der Aufstieg war etwas zuviel, ihm ist kalt und schlecht. Ich suche Holz zusammen, um ein Feuer zu machen. Man muss nur wenige Meter in den Wald gehen, um diese fast unheimliche Atmosphäre zu spüren. Er ist wesentlich dichter als bei uns, mit bemoosten Steinen übersät und sehr dunkel. Es ist aus meiner Sicht kaum verwunderlich, dass gerade hier so viele Sagenwesen entstanden sind. Ich glaube, ich hätte mich nicht gewundert, wenn mir ein Troll begegnet wäre. Als ich dann endlich das nasse Holz zum brennen überredet habe, ging es Robbi auch wieder besser. So nutze ich noch das letzte Tageslicht, um mich im See zu erfrischen, das kalte Wasser weckt alle Lebensgeister. Mit abwechslungsreichen 213 Kilometern geht der Tag zu Ende.

Tag 4 - 17. August 2005 - Fjorde und Wasserfälle

steinhilber011 Kurz nach 7 Uhr stehen wir auf, ich koche Kaffeewasser und bringe das Feuer wieder in Gang. Nach dem Frühstück geht Bemme baden, ich baue das Zelt ab. Gegen 9 Uhr verlassen wir den schönen Biwakplatz in Richtung Tyssedal. An der Fähre über den Josefjorden müssen wir warten, das Wetter verschlechtert sich. Als ich von meinem kurzen Erkundungsgang zurückkomme, traue ich meinen Augen kaum. Da steht mein Bruder und labert mit einer jungen Frau? Man kann ihn auch keine fünf Minuten aus den Augen lassen! Sie spricht zu gut deutsch für eine Norwegerin, hat brandenburgischen Akzent. Die Arbeitsmarktlage hat sie vor einigen Jahren nach Norwegen verschlagen, hier verkauft sie in einem Laden an der Fähre und ist sehr glücklich damit. Als die Fähre in Sicht kommt, müssen wir los. Wir haben Silvana aber versprechen müssen, ihr ein Foto vom Nordkap und der Pappe per Mail zu senden. Kurz nach der Fähre beginnt Regen, am Horizont ist allerdings beruhigend blauer Himmel zu sehen. Wenig später filme ich aus dem fahrenden Auto, als es kurz nacheinander zwei Mal poltert. Der Kontrollblick in den Rückspiegel ist "ohne Befund". Also geht es weiter, erst am nächsten Tag werden wir die Bescherung bemerken! Am Zwillingswasserfall Latefossen hört der Regen glücklicherweise wieder auf. Den ganzen Fall mit der Straßenbrücke im Vordergrund kann ich nicht einfangen. Dazu müsste ich durch den Fluss waten, was ich mir bei der Strömung mitsamt der Kamera nicht zutraue. Einige gute Schnappschüsse können wir dennoch mitnehmen. In Tyssedal haben wir das Norwegische Wasserkraft- und Industriemuseum besucht, ein sehr lohnenswertes Ziel. Untergebracht ist es in einem der ältesten europäischen steinhilber012 Hochdruckwasserkraftwerke, einem wunderschönen Industriegebäude direkt am Ufer des Sørfjords, das mit den 15 Peltonturbinensätzen aufgestellt in einer Reihe die stolze Länge von 156 Metern hat. Hier fallen bis zu 25 Kubikmeter Wasser aus einer Höhe von 400 Metern auf die Turbinenschaufeln und hätten, rein rechnerisch bei einem Gesamtwirkungsgrad von 0,8, über 78 Megawatt erbringen können. Der Maschinen- und Rohrleitungsbau stammt aus deutschsprachigen Landen, die zur Bauzeit weltweit führend waren. Die Museumsführung, die leider nicht sehr technisch begabt war, erklärt uns, dass das neue Kraftwerk im Inneren des Berges ist und aus nur einer einzigen Francis-Spiralturbine besteht, die fast senkrecht unter dem Wasserschloss arbeitet. Diese erbringt fast das Fünfzehnfache des alten Kraftwerkes. Man ist bestrebt, das alte Werk auf die UNO-Liste zu bekommen, was die Finanzierung des kostenintensiven Erhalts erleichtern würde. Ich hoffe sehr, dass das der Interessengemeinschaft gelingt. steinhilber013 Auf der Gebirgsstrecke der Hardangervidda-Straße setzen wir die Fahrt fort. Es ist erstaunlich, wie wenig Gedanken sich die Norweger machen. Auf einer derartigen Straße wäre im Alpenbereich längst ein Wohnmobilverbot, da steht lediglich ein unscheinbares Schild mit einer zulässigen Maximallänge. Tonnagebegrenzung herrscht nicht, so wundert sich auch niemand, dass da Sattelzüge drüber hinweg fahren. Ich frage mich nur zuweilen, wie diese um die engen Kurven kommen, von einer Begegnung ganz zu schweigen. Fast an der Scheitelhöhe angekommen, machen wir eine Pause am Voringfossen, der unterhalb eines Hotels eine Felswand herabstürzt. Er ist der meistfotografierte Wasserfall in Norwegen und wohl das dritthäufigste Fotoobjekt in Europa. Wenn man davor steht, wird das leicht verständlich. Das Wasser stürzt mit solcher Wucht zu Tal, dass unten derartige Winde herrschen, dass ein weiterer kleiner Fall den Abgrund nicht erreicht. Er wird vorher wie von Zauberhand nach oben abgelenkt und zerstäubt. Übrigens haben die Norweger Wasser für den Kraftwerksbetrieb abgezweigt, mit dem er sonst noch wesentlich wilder gewesen wäre. Um die Mittagszeit verursacht die Sonne einen Regenbogen über dem Tal, der besonders vom darüber liegenden Hotel gut zu beobachten ist. Dafür ist es an diesem Tag leider zu spät und wir fahren über das vegetationsarme Fjell weiter. Selbst hier oben findet man Wasser ohne Ende, Seen und Bäche. Natürlich auch Strommasten, den man nutzt hier beinahe jede Möglichkeit für die Wasserkraft. Unglaublich ist die absolute Stille hier, weder Insekten noch Vögel, nur flache, mit Flechten übersäte Birken. Westlich von Hol, dessen Stabkirche wir noch in der Dämmerung erreichen, schlagen wir nach erlebnisreichen 393 Kilometern spät unser Lager auf.

Tag 5 - 18. August 2005 - Noch mehr Berge und Bastelstunde

Der Donnerstag fängt gut an, der Motorkontrollblick ergibt einen fehlenden Krümmerbolzen. Der andere hält zwar, aber wir haben keinen Ersatz dabei. Das erklärt dann auch das gestrige Poltern unter dem Auto! Vorsichtshalber ziehen wir den noch vorhandenen Bolzen nach, das Gussteil verzeiht keine Fehler und wir wollen vermeiden, dass der Auspuff auf der Straße liegt. Mit einem weiteren "Anziehstop" fahren wir bis Aurland, suchen da eine Werkstatt auf. Der Mechaniker meint nur: "Lifting is impossible!" Wir wollen doch nur einen Bolzen samt Mutter und Unterlegscheibe, keine Hebebühne!? Zehn Minuten später ist wieder alles im grünen Bereich, der Krümmer hält den Vorschaller mit zwei Bolzen. Die nächste Attraktion wird der Aurlandsveien sein, der Aurlandsweg führt oberhalb des neuen Tunnels, der mit einer Länge von 24,5 Kilometern der derzeit längste Straßentunnel der Welt ist, über ein wunderschönes Fjell mit Seen und Hochgebirgsvegetation. Mir gefällt überaus gut, dass die Norweger so praktisch denkende Menschen sind. Sie bauen Straßen beinahe kompromisslos, was sich in Gefälle bzw. Steigung und Kurvenradius in Verbindung mit Straßenbreite äußert. Die Steigungen meistern wir teilweise nur im ersten Gang, sind aber nicht wesentlich langsamer, als die anderen Autos auch. Wir müssen zuweilen nach dem "Schwungradprinzip" fahren, das heißt, soviel wie möglich Geschwindigkeit aus den Geraden mitnehmen und niemals vom Gas gehen. Im Klartext: Drehzahl ist nur mit Drehzahl zu ersetzen! Unsere Wendigkeit und geringe Breite sind wahrlich von Vorteil, die Straßen sind anspruchsvoll, von sehr gutem Zustand und bereiten Fahrspaß pur. Ich frage mich nur, wie sie das hinbekommen, liegt doch teilweise mehr als sechs Monate im Jahr alles unter Schnee begraben. Nach unserem Möchtegernwinter sind viele Strassen in erschreckendem Zustand. Wir schlängeln uns durch das stille Hochland und genießen die Landschaft, die phantastische Aussichten eröffnet. Auf der Abfahrt meldet sich die Bremse zurück. Sie kommuniziert im digitalen Zeitalter allerdings mit deutlich blauen Rauchzeichen!? Von Fading keine Spur, doch sind die Beläge der Vorderachse am Ende. Wir helfen mit der steinhilber014 Handbremse und suchen eine Möglichkeit für eine Abkühlpause. Als wir eine Einbuchtung finden, sprinte ich los, um einen Stein zu suchen. Der kommt vor ein Rad, damit die Handbremse die heißen Trommeln nicht verzieht. Die Methode hat sich sehr gut bewährt und ich will verhindern, dass beim Bremsen die dritten Zähne aus dem Gesicht fallen. Die Zeit ist reif für das Mittagessen, es stehen zwei "leckere" Büchsen auf dem Programm, das Auto muss leichter werden. Noch bevor sich der kleine Gaskocher bewähren kann, kämpfe ich mit dem Büchsenöffner. Ich überlege, was meine Nerven mehr strapaziert. Dieses Ding oder das bei bestimmter Drehzahl klappernde Armaturenblech? Noch habe ich ein paar Tausend Kilometer Zeit, die Antwort zu finden. Im Tal angekommen, machen wir einen kleinen obligatorischen Abstecher zur berühmten Stabkirche von Borgund. Sie nicht zu besuchen, wäre unverzeihlich. Ihr Zustand ist trotz des Alters von etwa 800 Jahren erstaunlich, eine Holzhandwerkskunst, die ihres Gleichen sucht. Der weitere Weg, der in meiner Karte als kleine Straße bezeichnet wird, entpuppt sich als Fjellweg Ardal - Luster und ist mautpflichtig, doch das ist er in jedem Falle wert. Mit Erstaunen nehme ich das Maximallängenschild von 8 Metern zur Kenntnis. Wenige Kurven später weiß ich die Antwort, denn wir schaffen es bei vollem Lenkeinschlag teilweise nicht, die Spitzkehren zu schneiden. Für ungeübte Wohnmobilpiloten ist die Fahrt dort zu Ende! Glücklicherweise ist hier kaum Verkehr, das Terrain gehört fast komplett den Schafen, die hier wie überall mit wenig Respekt gegenüber dem Verkehr mitten auf der Strasse herum stehen oder auch liegen. Interessant sind diese Kontakte der dritten Art besonders im unbeleuchteten Tunnel!!! steinhilber015 Zufälligerweise blödeln wir noch herum, dass man hier doch mal mit einem LO 3000 - Bus entlang fahren müsste, schon wegen der Spritpreise, eine Überraschung sollte wenig später noch folgen. Das Bremsproblem auf der Abfahrt muss ich nicht mehr erwähnen, die Hitze hat die Belagstruktur so verändert, dass die Wirkung weich reibend einsetzt. Das kennen wir doch irgendwoher? Das Gefälle ist nicht sonderlich lang, auf der anderen Seite wartet das Sognefjellet, das Dach Norwegens und zugleich größtes und beliebtestes Hochgebirgswandergebiet des Landes. Bei bester Sicht auf der riesigen Hochfläche werden wir von gletscherbedeckten Bergen eingerahmt. Gleich nach dem ersten Fotostopp trauen wir unseren Augen kaum. Da steht doch wirklich ein LO 3000 - Bus mit Bornaer Kennzeichen! Er gehörte zu einer evangelischen Jugendgruppe, die in der Region wandern war. Die Stimmung ist super, denn auch sie sind überrascht. Ich habe den Fahrer, der solche Straßen mit dem Bus vorher nie befuhr, vorsichtig gewarnt, was die Bremsen angeht. Er hat wenigstens eine Motorbremse, dafür auch Verantwortung für 16 Kinder. Am nächsten Panoramablick treffen wir eine Familie aus Zittau und kommen in ein längeres Gespräch. Das passiert uns mit steinhilber016 vielen Nationalitäten bei Stopps aller Art fast immer. Auf der Abfahrt haucht die Bremse komplett aus, bis Lom ist es nicht mehr weit. An einer großen Statoil-Station tanken wir und wollen die Werkstatt "okkupieren". Die schauen komplett erschreckt und machen mir klar, dass sie uns kaum helfen können, die Werkstatt ist belegt. Damit haben wir gerechnet, aber die Druckluft reicht bis in die Waschstraße und wir bekommen einen Schlagschrauber. Der Wechsel geht fix, die alten Beläge sind komplett verschlissen, der Trägerstahl ist sichtbar. Die Nachwendebeläge haben die Hitzeresistenz einer Scheibe Knäckebrot und sind vielmehr fahrlässige Tötung, als Bremsenteile! Als "Bezahlung" gebe ich dem Mechaniker eine Flasche "Goldkrone", was bei den dortigen Alkoholpreisen jede Tür öffnet. Das komplette Tankstellenteam hat sich gefreut und wir bekommen den Hochdruckreiniger für eine Komplettwäsche. Da ich nicht ewig auf meinen Bruder warten möchte, der eine Waschorgie ohnegleichen startet und anschließend noch das komplette Auto abledert, wechsle ich einem Norweger die Räder per Schlagschrauber. Ich möchte nicht aus der Übung kommen! Die Reifen sind derartig fertig, dass ich mir fast die Hand an den herausragenden Stahldrähten aufgeschnitten habe. Der Anblick des ganzen Autos hätte jeden deutschen TÜV-Prüfer augenblicklich ins Nirvana katapultiert! Der Fahrer war total cool und meinte, dass diese "Leiche" noch ein Jahr rollen muss, dann wird er als "Neuwagen" im Ostblock verkauft. Ich lass mir die Karte der Station geben, um ein Nordkap-Foto senden. Mit den letzten Sonnenstrahlen fotografieren wir die Stabkirche des Ortes und suchen einen Nachtplatz. Als wir nach 402 Tageskilometern im Ottadalen fündig werden, ist es fast dunkel.

Tag 6 - 19. August 2005 - Fjorde und Aussicht satt

steinhilber017 Als wir am frühen Morgen aufwachen, stelle ich fest, dass ich in der Vorabenddunkelheit das "Zelten verboten!"-Schild übersehen habe. Nach dem anschließenden Alarmstart frühstücken wir an einem einsamen Bergsee. Es ist wirklich frisch um diese frühe Stunde und die Nebel an den Berghängen veränderten ständig ihre Form. Die Anfahrt zum Strynefjell folgt anschließend, eine geschotterte alte Route mitten durch ein ursprüngliches Hochtal, die immerhin nicht empfehlenswert für Wohnmobile und Caravans ist. Erstaunlich! Bei meiner Vorabrecherche stieß ich auf den Hinweis, dass neben der Straße die Reste einer alten Steinhütte stehen, in der der Sage zufolge einer der alten Könige, Harald Schönhaar oder Olav der Heilige, übernachtet haben sollen. In der Nähe davon soll das Wrack einer Heinkel He 111 liegen, die im April 1940 nach Beschuss dort notlanden musste. Trotz intensiver Suche haben wir beides nicht gefunden, auch die gewohnte Sehenswürdigkeitenbeschilderung half nicht weiter. Noch vor der Scheitelhöhe kommt es fast zum Zusammenstoß, denn ein entgegenkommender Landsmann hat eine unübersichtliche Kurve geschnitten, was weniger ratsam ist. Auf der Scheitelhöhe machen wir eine Pause, genießen die Landschaft und beobachten nur wenige Meter entfernte Hirsche. Selbst in dieser verlassenen Gegend steht ein einsames Haus und der kleine See hat seinen eigenen Bootsteg. Die Abfahrt ist unproblematisch, weil asphaltiert. Es folgt der Anstieg zum Dalsnibba, mautpflichtig, aufregend steil und eschottert. Im ersten Gang kommen wir auch da hoch und werden oben mit Fragen gelöchert. Der Ausblick auf den Geirangerfjord, aber auch die serpentinenübersäte steinhilber018 Abfahrt, ist einfach atemberaubend. Allerdings ist es ungemütlich kalt und windig. Wir sind 1500 Meter ü. NN und müssen in 15 Kilometern diesen Niveauunterschied meistern, also 10 % Gefälle im Schnitt. Die neuen Beläge bewähren sich sehr gut, obwohl sie mein Bruder als Hochwasserüberbleibsel im Garagenkomplex fand. Dennoch machen wir eine Kühlpause, nutzen diese auch zum Mittagessen, Schlafsäcke trocknen und rasieren am Bach. Der nächste Panoramablick eröffnet sich am Fydalsjuvet, noch oberhalb Geiranger. Die zwei Kreuzfahrtschiffe haben ihre Passagiere ausgebootet, deren Busse versperren fast die komplette Sicht. Wieder werden wir mit Fragen aller Art gelöchert und müssen lange warten, bis wir ein Foto mit Trabbi und Fjord ohne dutzende Touris bekommen. Auf der kleinen Aussichtskanzel treffen wir Margaret aus Danzig. Sie arbeitet auf der "Saga Ruby" und startete die Reise ein paar Wochen vorher in Warnemünde. Hinter Geiranger steigt die Straße zum "Adlerweg" steil an und eröffnet die Sicht zu den berühmten steinhilber019 Wasserfällen und letzte Blicke auf Ort und Dalsnibba, der aus dieser Perspektive an einen Zuckerhut erinnert. Wir arbeiten uns die Straße hoch in Richtung Trollstigen und müssen vorher auf die Reserve gehen. Natürlich ist das wieder etwas problembehaftet, wir bekommen den Tank nicht komplett leer. Derartige Sorgen hatten wir noch nie und ich weiß nicht, woran es liegt. Aber noch rollt er ja! Der Trollstigen macht seinem Namen alle Ehre, toller Ausblick bis ins Romsdal hinein, die Hexenzinnen, Trolltindene genannt, zu unserer Linken. So kämpfen wir uns zu Fuß durch die Souvenirshops und fotografieren viele unterschiedliche Trolle. Die sind so hässlich, dass sie schon fast wieder süß sind! Ein Highlight ist der Tiefblick direkt über steinhilber020 dem Wasserfall Stigfoss hinunter zur meisterhaft angelegten Bergstraße. Trotz der 12 % Gefälle haben wir keine Probleme. In Bedrängnis kommen wir nur, wenn vor uns ein Wohnmobil ist, das per Motorbremse sehr langsam hinunter schleicht. Das mag unsere Bremse nicht sonderlich! Im Tal rasten wir nochmals und holen vorsichtshalber den Sprit aus dem "Kraftwürfel". Es ist peinlich, wegen Benzinmangel liegen zu bleiben, obwohl noch 4 Liter im Tank sind! Bis Andalsnes kommen wir ohne Probleme, sodass die Aktion umsonst war. Auf einer Halbinsel bei Eid verbringen wir die Nacht. Als ob wir nicht schon genug Radau um uns haben, laden wir mit dem "Kraftwürfel" Kameras und Telefon. Dummerweise beginnt wenig später Regen! Mit 444 Tageskilometern sind wir gut vorangekommen.

Tag 7 - 20. August 2005 - Molde, Atlantikstraße und Trollkirche

Der Regen hörte irgendwann in der Nacht auf, das Zelt war nass und der morgendliche Himmel verhieß nichts Gutes. Das Gefühl sollte Recht behalten, das große Gießen begann noch vor der Fähre über den Langfjorden. An diesem trüben Samstagmorgen war kein Andrang und wir standen im Interesse der Fährbesatzung. Als kleine "Gegenleistung" bekommen wir eine Privatführung im Maschinenraum, wo die Hauptmaschinen von MWM ihren gewohnt zuverlässigen Dienst verrichten. Noch vor Molde frühstücken wir in einer Regenpause, die Stadt durchfahren wir fast menschenleer. Wie bereits im Reiseführer erwähnt, ist sie sehr modern mit einer neu errichteten Betonkirche. steinhilber021 Bekannt ist sie für ihr mildes Klima, in dem Rosen und Kastanien gedeihen, und für das Jazzfestival, das viele Gäste anlockt. Leider haben wir wetterbedingt von beidem nichts mitbekommen. So setzen wir die Fahrt in Richtung Atlantikstraße fort, die sich wie eine Lebensader mittel Brücken und Dämmen einen sagenhaften Weg über die unzähligen Schären bahnt. Das Wetter hat ein Einsehen, der Regen hört auf und der Atlantik liegt spiegelglatt vor uns. Ich beginne eine kleine Kletterei auf die Anhöhen, um eine gute Fotoperspektive zu bekommen, besonders die geschwungene Brücke hat es mir angetan. Passend zum zerrissenen Himmel wären noch stürmische Winde aus West gewesen, um die Atmosphäre dramatischer erscheinen zu lassen. Wir erleben das Meer von seiner zahmsten Seite. Auf dem Rückweg nach Molde steuern wir die Trollkirka an. Die "Trollkirche" ist eine 2 bis 7 Meter hohe Kalksteingrotte mit einem Wasserfall im Innern, erreichbar nach etwa einer Stunde Fußmarsch. So machen wir uns auf den Weg und meinem Bruder kommen wieder die "traumatischen" Erinnerungen seiner letzten Bergerfahrung hoch. Keine Rolltreppe!!! Die Stunde ist vorüber, zu langsam waren wir nicht, doch keine Spur von einer Höhle. Mir kommen diverse Zweifel, ob der scheinbar im Nichts endende Weg inmitten der matschigen Wiese richtig ist. Ich erkunde die Gegend und finde frische Spuren, die weiter hinauf führen, Robbie folgt maulend und fluchend mit großem Abstand. steinhilber022 Irgendwann stehen wir vor einem finsteren Loch, aus dem Wasser fließt. Ohne Taschenlampe war alles umsonst, doch wir haben eine dabei. Ich gehe allein rein, es ist sehr laut und kühl, mitten durch die Grotte schießt ein Bach und meine Lampe ist viel zu schwach für diese Szenerie. So gehe ich dem unheimlichen Rauschen nach und komme zum besagten Wasserfall, der durch das schwach einfallende Tageslicht erhellt wird. Für ein Foto reicht mein Blitzlicht nicht, so filme ich ein wenig. Ganz ehrlich gesagt war ich froh, als ich wohlbehalten wieder draußen war! Immerhin kam auch die Sonne zum Vorschein, die Talsicht verbesserte sich zusehends. Nun müssen wir nur noch den steilen glitschigen Abstieg überstehen. Speziell Bemme macht sich mit der Gewandtheit eines Kachelofens so seine nicht ungerechtfertigten Sorgen. Das Maulen und Meckern endet erst am Trabbi, wo wir Mittag machen und uns etwas ausruhen. Wir nutzen die Chance, um die nasse Ausrüstung zu trocknen. Auf dem weiteren Weg tanken wir, doch ist der Verkäufer nicht erstaunt. Wir sind zwar nicht auf Effekthascherei aus, doch es interessiert mich dennoch. Die Antwort ist einfach, er hat ebenfalls einen Trabant 601! Traurig erklärt er uns, dass er ihn nicht zugelassen bekommt, die Abgasnorm ist schuld!? Anschließend folgen wir der 70 bis kurz vor Oppdal, wo wir die Nebenstraße zum Orkdal nehmen. Das Wetter wird wieder schlechter, der Regen beginnt von neuem, der Scheibenwischer löst sich komplett. Wir können ihn aber noch während der Fahrt "einfangen", er lag noch auf der Motorhaube. Damit verbunden mache ich mir Sorgen um einen Biwakplatz, es ist mal wieder spät geworden. Wir schleichen die gut geschotterte Piste entlang, werden aber nicht fündig. Kurz vor dem Sonnenuntergang frage ich einfach eine Familie, die an ihrem Wochenendhaus arbeitet, ob wir auf deren Grundstück zelten dürfen. Der Mann schaut uns etwas misstrauisch an, meint aber, wir können unten am Fluss zelten. Begeistert wirkt er aber nicht. Wir tappen also die steile, nasse Wiese herunter und bauen auf. Als kleine "Umstimmung" schenke ich ihm die letzte Flasche "Goldkrone". Das ändert alles, wir kommen ins Gespräch, können unsere Akkus laden und trinken noch bis Mitternacht Tee zusammen. Anders und Mette wohnen in der Nähe von Trondheim und bauen in dieser Traumlage ihr Wochenendhaus, die beiden Töchter helfen dabei. Als wir noch zum Frühstück eingeladen werden, freuen wir uns wirklich sehr. Der Tag geht nach 349 Kilometern zu Ende.

Tag 8 - 21. August 2005 - Trondheim und das "Nordfieber"

Wecken ist erst 7 Uhr 30, wir baden im eiskalten Fluss und bauen das Zelt ab. Frühstück ist gegen 9 Uhr geplant, also räumen wir noch alles zusammen. Das Essen war sehr angenehm, der Kaffee weckt, zusammen mit dem Flusswasser, mühelos Tote. Irgendwann müssen wir leider das interessante Gespräch abbrechen, denn wir müssen weiter. Natürlich nicht, ohne die Adressen zu tauschen! steinhilber023 Sie geben uns noch wertvolle Tips zu Trondheim, bevor wir sie verlassen. Der stark befahrene, autobahnähnliche Zubringer in die Stadt ist am Sonntag mautfrei, soviel Verkehr waren wir nicht mehr gewöhnt! Den Nidarosdom, das bedeutendste Sakralbauwerk Skandinaviens und zugleich die Krönungsstätte der norwegischen Könige, finden wir leicht. Die Kirche ist für unsere Verhältnisse nicht riesig, aber dennoch sehr prachtvoll. Die Fassade des spätromanisch-gotischen Bauwerkes ist mit Statuen norwegischer Könige, Bischöfe und biblischer Figuren reich verziert. Die 1930 eingebaute Orgel stammt übrigens von der Öttinger Firma Steinmeyer. Bei herrlichem Wetter erkunden wir noch die Umgebung des Doms und den Marktplatz, auf dem wegen eines Volleyballturniers reges Treiben herrscht. Ein Münztelefon finde ich dann auch noch, so kann mich meine Freundin auch mal "hören". Die ewige SMS-Schreiberei haben wir beide satt! Auf der E6 mit viel Verkehr verlassen wir die Stadt, jetzt hält uns in Richtung Norden nichts mehr auf, das "Nordfieber" ist unheilbar ausgebrochen! Für mich ist Trondheim die "psychologische" Mitte der Tour, obwohl wir erst reichlich 2900 Kilometer gemeistert haben. Keine extremen Bergstraßen mehr, aber auch weniger Sehenswürdigkeiten, als sie noch der Süden zu bieten hatte. Ein Stück weiter nördlich machen wir eine kurze Rast zur Kaffeezeit, mehr durch Zufall neben einem Denkmal für die gefallenen Piloten der RAF im Kampf gegen die "Tirpitz". Mit der Kaffeetasse in der Hand nehmen wir die Zündung von 3,0 auf 2,8 mm v. OT zurück, das Klingeln nervt gewaltig. Vorher haben wir als Gegenmaßnahme einfach etwas den Choke geöffnet, was den Spritverbrauch anhob. Die Bastelei hat sich bewährt, es ist besser geworden, ganz weg ist das Klingeln jedoch nicht. Etwa 300 Kilometer nördlich Trondheim finden wir einen wirklich schönen Biwakplatz, zwar direkt neben der E6, die nachts wenig Verkehr führt, steinhilber024 aber unmittelbar an einem rauschenden Fluss. Wir bauen auf und machen Feuer, es ist frisch im Norden. Außerdem vertreibt es die unzähligen Mücken und wir können unsere Fleischwurststücken brutzeln. In der Dämmerung kommt ein endloser Güterzug vorbeigedonnert, beladen mit unzähligen Containern und gezogen von zwei mächtig grummelnden Dieselloks. Leider hatte ich die Kamera zu spät in der Hand, noch ein Zug war mir nicht vergönnt. Sehr imposant sind die LKW mit ihren Rammgittern, manche haben "Elchabschussmarken" an der Tür. Uns warnten sehr viele Leute, nachts zu fahren. In der Werkstatt in Lom sah ich das Foto einer solchen Begegnung. Der Volvo sah aus, als ob er gegen einen Brückenfeiler geprallt wäre. Die possierlichen Tierchen werden zwischen 600 und 800 kg schwer, das ist unser Pappengewicht!? Wir ulken herum, dass wir den Elch allenfalls mit unserer Antenne am Bauch kraulen und drunter durch passen. Auf ein solches Treffen sind wir wirklich nicht scharf, wir hätten keine Chance! Nach 398 Kilomtern geht auch dieser Tag mückengeplagt zu Ende.

Tag 9 - 22. August 2005 - Willkommen am Polarkreis

steinhilber025 Der Tag beginnt sehr kühl, etwa 4 Grad, aber der Himmel ist fast wolkenlos und die Sonne bemüht sich. Selbst unser "Gute-Laune-Thermometer", das fast immer 30 Grad anzeigt, ist auf unter 15 Grad gefallen! Also gebe ich mir Mühe, das Feuer wieder in Gang zu bringen, Bemme ist der Meinung, dass der Frost in ihn gekrochen ist und im Schlafsack mitfährt. Wie die anderen Tage auch, kommt er nach einer kleinen Ewigkeit maulend und "steif gefroren" aus seinem Schlafsack gekrochen, mit der legendären Elastizität einer Brechstange. Die Flammen tauen ihn wieder auf, allerdings ist er nun der Meinung, dass der Wind den Rauch stets in seine Richtung pustet. Nach einer Weile glaube ich ihm sogar, aber wir riechen ohnehin schon wie Räucherware. Der erste Hinweis auf den Norden ist das Portal über der E6, dass den Eingang zu Nordnorwegen symbolisiert, die Grenze zwischen Nord Trondelag und dem Nordland. Nach Mosjøen verlassen wir die E6, nehmen die 78 als Verbindung zur 17, die ich als Küstenstraße schon ab Steinkjer nehmen wollte. Sie ist landschaftlicher schöner und weit weniger befahren, aber die Fähren kosten uns etwas Zeit, und leider auch Geld, was unser knappes Budget kaum hergibt. Die erste ungeplante Attraktion ist der Laksefossen, der ein Angelparadies sein soll, was ich auch gern glaube. Eine Weile später erreichen wir ebenso ungeplant das deutsche Küstenfort Grønsvik, dass wir natürlich erkunden. Bemme hat es wirklich geschafft, bei dem Lärm und "Komfort" währen der Fahrt zu einzuschlafen!? Mit einer unglaublich miesen Laune wird er brabbelig munter und latscht die ersten Meter wie Falschgeld hinterher. Wir sind die einzigen Gäste und bezahlen an der Kasse des Vertrauens. Bunkeranlagen und auch Geschützstellungen sind zugänglich und sehr gut erhalten. Die Tafeln erklären informativ und weisen uns den Weg. Bei milden Temperaturen und Sonne erreichen wir Levang, wo wir auf die Fähre nach Nesna über den Rana warten müssen. Da die verbleibende Zeit es hergibt und wir ohnehin "erzkonservativ" um Punkt 12 Uhr zu Speisen gedenken, kämpfe ich mal wieder mit dem Büchsenöffner. Hinter uns steht ein LKW, mit dessen Fahrer wir ins Gespräch kommen, das Auto fällt auf. Wir sprechen ihn auf die Leistung der LKW an, die scheinbar jeden Berg ohne Problem hochziehen. Er lächelte nur und steinhilber026 meinte, dass sein alter Scania auch über 700 PS hat und er diese Leistung niemals missen möchte. Ohne aufkommende Hektik schaffen wir auch das und fahren auf die Fähre. Hier "oben" dürfen wir während der Passage nicht mehr auf dem Fährdeck bleiben und müssen in den Aufenthaltsraum. Wir folgen der 17 bis Kilboghamn, entlang dem Wasser durch Tunnel und unzähligen Kurven. Der Scania ist trotz voller Beladung eine ganze Weile eher dort und der Fahrer wartet lächelnd. Wieder müssen wir warten, das Wetter zieht sich zu. Mit uns fährt ein schwarzer Ford-Van auf die Fähre, seine Maschine klingt, wie ein paar Stiefel in der Waschmaschine, allerdings rauchen seine Bremsen. Er lächelte nur und meinte, er sei "etwas" schneller unterwegs gewesen, um die Fähre noch rechtzeitig zu bekommen. Danach folgte noch Fachsimpelei zum Thema Auto. Er interessierte sich für unseren Hubraum, er erwiderte lächelnd 7,9 Liter. Wir machen ihm klar, dass wohl schon sein Scheibenwischermotor mehr Hubraum hat, als wir. Während der Passage nach Jektvik überqueren wir den Polarkreis, allerdings "schwimmend". Am Ufer hat man eine Miniatur des Denkmals aufgestellt, dass wir am Nordkap noch zu Gesicht bekommen sollten. Die Einheimischen interessieren sich nicht dafür, nur die Touristen knipsen wie die Wilden, so auch wir. Mit der sich senkenden Wolkendecke und den schroffen Berggipfeln hat man das Gefühl, an das Ende der Welt gekommen zu sein. Es ist so, wie ich es mir als Kind vorgestellt hatte. Diese gedachte Linie ist mehr eine magische Grenze, doch es sollte danach weiter gehen. Sehr weit noch! Der Regen beginnt, die Temperatur fällt, Wind kommt auf, alles in allem sehr ungemütlich. Willkommen am Polarkreis! Mir fällt wieder ein, was Mette mir südlich Trondheim sagte. Sie hat eine Freundin im Norden, die ihr am Telefon sagte, dass kurzzeitig schon Schnee fiel. Mit unserer Bodenfreiheit und den Sommerreifen ist die Fahrt dann zu Ende! Mein Bruder meinte schon herumulkend, dass er in dem Falle mit der Pappe hier oben überwintert, schließlich könne er sie ja nicht allein lassen. Ganz soweit sollte es jedoch nicht kommen, im strömenden Regen fahren wir von der Fähre. Auf der Schräge haben wir "Traktionsprobleme", der nasse Stahl ist wie Schmierseife. Bemme schiebt das erwartungsgemäß auf die "brachiale" (?) steinhilber027 Antriebsleistung, aber wir sind kein Einzelfall. Die 25 Kilometer zur nächsten Fähre nehmen wir "persönlich", denn hinter uns rümpfte ein "Altbundesbürger" bereits die Nase, ihm passte unsere Anwesenheit offensichtlich überhaupt nicht. Das kann durchaus daran liegen, dass das umgedreht am Draht aufgehängte VW-Zeichen an unserem Heck zuweilen auf der Straße schleift und er eines am Kühlergrill hat. Die engen kurvenreichen Straßen sind wie geschaffen für uns, um die übersichtlichen Kurven drifte ich gern herum, das gutmütige Fahrwerk erlaubt und verkraftet es auch. Wir sind vor ihm an der nächsten Fähre und nur das zählt! Die nächste Passage ist unspektakulär und kurz, wir suchen nach einem Biwakplatz, noch immer schüttet es aus Kannen. Ein mir wichtiges Highlight ist zweifellos der Svartisen-Gletscher kurz oberhalb des Polarkreises, doch er ist fast komplett vernebelt, beschert uns aber doch ein fast mystisch wirkendes Foto. Als wir einen geeigneten Nachtplatz fanden, war kein Ende des Regens in Sicht. Wir essen im Auto und warten auf besseres Wetter. Die Stimmung ist am Boden, die Warterei nervt zusätzlich. Irgendwann kurz später habe ich genug, wir bauen in Bestzeit das Zelt auf und schmeißen die noch klammen Schlafsäcke hinein. Eine weise Entscheidung, es hat bis zum Morgen durchgeregnet. Nach genau 400 Kilometern geht auch dieser Tag, für meine Begriffe etwas zu feucht, zu Ende.

Tag 10 - 23. August 2005 - Bodø und andere Zwischenfälle

steinhilber028 Der Morgen begann schon gut, es rauschte nur so herab, wie die ganze Nacht auch. Ich bin zwar munter, aber es fehlt wirklich jeder Antrieb, um auf die Beine zu kommen. Der Verstand sagt, warte bis es aufhört, das Gefühl sagt, es wird nicht besser. Also nach einigen Minuten "Alarmstart", es muss alles sehr schnell gehen, sonst bringen wir noch mehr Feuchtigkeit ins Auto und bekommen die klammen Sachen niemals trocken. Die Stimmungslage zu erwähnen, erübrigt sich wirklich, und Robbi hat eine Laune… Verständlich! Der Abbau geht fix, alles in die Karre geschmissen und klatschnass freue ich mich auf die warme Luft aus der Heizung. Fehlanzeige, wir sind gestern Abend auf Reserve angekommen und irgendwie haben wir aus Regengründen den Kanister nicht nachgefüllt. Nach einer kurzen "Ausrastung" beiderseits fangen wir uns wieder und schütten die 20 Liter nach. Das hat natürlich eine scheinbare Ewigkeit gedauert, aber der Sprit ist drin! Die Devise heißt, erstmal fahren, weg hier und den Motor heizen lassen! Nach wenigen Minuten haben wir Saunaverhältnisse im Auto, wirklich alles läuft an. Die ersten Kilometer bestehen aus Wischen, Fahren und Fluchen… Wie scheinbar immer, so haben wir auch heute Wetterglück. Am Horizont taucht ein blauer Streifen auf, und zwar im Norden! Die erste Attraktion heute ist der Saltstraumen, der norwegische Mahlstrom und die stärkste bekannte Gezeitenströmung der Erde. Kurz vorher hört der Regen auf, nur riesige Pfützen sind auf der Straße. Von der kühnen Brücke bemerken wir unser absolut unverschämtes Glück, wir sehen die Strudel! Es ist gerade Ebbe, das Wasser schießt aus dem Fjord und wird durch die Meeresenge gepresst. Wie wir wenig später sehen, ist das auch noch die Zeit der stärksten Strömung. Das Schauspiel ist gigantisch, von der Brücke gesehen wie auch vom Ufer aus. Es rauschen innerhalb etwa 6 Stunden rund 400 Millionen Kubikmeter Wasser steinhilber029 durch die 3 Kilometer lange und 150 Meter breite Meerenge. Dabei werden Strömungsgeschwindigkeiten von bis zu 20 Knoten erreicht, das sind etwa 37 Kilometer pro Stunde, die whirlpoolartigen Strudel haben Durchmesser von ca. 10 Metern. Man kann hier viel schreiben, aber das Erlebnis ersetzt es in keinem Falle. Das Wasser ist stahlblau und glasklar, das Rauschen lässt die Naturgewalten allenfalls erahnen. Es fällt schwer, sich von dieser Attraktion zu trennen, doch die nächste wartet schon auf uns. Bodø mit seinem Flugzeugmuseum steht noch auf dem Programm. Auf dem Parkplatz müssen wir noch ein paar überfreundliche "Altbundesbürger", die uns neben ihren Wohnmobilen stehend die wildesten Ratschläge geben, fast schon abwimmeln. Ich hatte mehr das Gefühl, entmündigt zu werden, wenn wir nicht augenblicklich aufbrechen… Was denken die wohl, wie wir bis hierhin gekommen sind? Vermutlich per Luftpost oder ähnlichem… Die letzten Kilometer bis zur Stadt fahren wir im strahlenden Sonnenschein entlang der Schienen der norwegischen Nordlandbahn, die hier endet. Das Museum liegt am östlichen Stadtrand und ist leicht zu finden, denn es ist direkt neben dem Regionalflughafen. Auf dem Parkplatz stehlen wir den Freiluftexponaten fast die Show. Im Inneren steht die momentan einzige noch erhaltene schwimmfähige Junkers Ju 52 im flugfähigen Zustand, die als norwegisches Verkehrsflugzeug noch lange nach dem Krieg im Einsatz war. Sehr interessant ist natürlich die Ausstellung zur deutschen Luftwaffe im 2. Weltkrieg. Mitten in der ersten Halle hören wir ein sonderbares Signal, die Brandmeldeanlage!? Wir werden evakuiert, doch nach einer Weile stellt sich alles als Fehlalarm heraus. Das Wrack einer Heinkel He 111 ist zu sehen, zahlreiche Flugzeugmotoren, Ausrüstungsgegenstände und Ersatzteile. Doch auch die anderen Abteilungen sind sehr informativ, NATO-Flugzeuge werden ebenso gezeigt wie auch eine große Halle zum Thema Verkehrsflugzeugwesen. Wir sind etwa 4 Stunden durch die Ausstellung gelaufen, und hätten auch noch 4 weitere gebraucht, doch irgendwann werden die Beine schwer und die Ohren welk, denn das Mittagessen ist längst überfällig. Wir tanken noch schnell und dann schnell raus aus der Stadt, ein Mittagsplätzchen gilt es zu finden. In der warmen Sonne trocknen wir alles so gut es eben geht, bevor wir weiter Richtung Norden fahren. In Fauske kommen wir wieder auf die E6, die genau dort ihre Mitte hat. Von hier sind es je genau 1336 Kilometer bis Svinesund im Süden oder Kirkenes im Nordosten. steinhilber030 Die Entfernungen sprechen ihre eigene Sprache, im Süden ist uns das nicht so bewusst geworden, hier schon. Wir wollen bis nördlich der nächsten Fähre kommen, was eigentlich kein Problem darstellt. Aber eben nur eigentlich! Etwa 80 Kilometer davor kämpfen wir uns einen langen Anstieg hoch, als wir bei Gegenverkehr überholt werden. Der Volvo mit Anhänger sieht wohl nur den LKW kommen und zieht einen Meter zu früh rein. Der Hänger "trifft" uns vorn links und schiebt uns fast in die Leitplanke. Bemme, der fährt, dreht total ab und will anhalten. Der Volvo hat das nicht gemerkt und fährt weiter, sein Kennzeichen hatte ich so schnell nicht mitbekommen. Da wir nichts verloren haben und auch die Lenkung OK zu sein scheint, heizen wir ihm hinterher. Eine Chance haben wir nicht, also nutzen wir sie! Im dümmsten Falle baue ich auf die Kameras, die zuweilen an den Tunnelportalen hängen, die Zeit haben wir ja aufgeschrieben und wissen Farbe samt Typ. Und demnächst kommt eine Fähre, da kriegen wir ihn! Für den Fahrer hoffe ich ja, dass wir ihn nicht einholen, mein Bruder plant die allerschlimmsten Sachen mit ihm, hat er doch sein bestes Stück auf dem Gewissen. An der Fähre steht er vor uns, ich sprinte mit der Kamera vor, filme die Kennzeichen und die grünen Farbreste am Anhänger. Der Fahrer ist freundlich, sieht es auch gleich ein. Mitten im Papierkrieg setzt leichter Regen ein, aber es geht alles gut. Obwohl die Pappe nur wenig Schaden nahm, ist Bemme am Ende. Jetzt fällt die ganze Anspannung ab, wir hätten auch in der Leitplanke enden können. Die Fähre bringt uns wohlbehalten auf die andere Seite, wo wir kurz darauf einen recht guten Biwakplatz fanden. Trotz aller Trocknung sind die Schlafsäcke sehr feucht, die Isomatten ebenso. Nach 337 Kilometern geht auch dieser Tag mit einem milden Abend und leichtem Wind zu Ende.

Tag 11 - 24. August 2005 - Narvik, Tromsø und Landschaft pur

steinhilber031 Die Nacht war trotz milder Temperaturen ungemütlich, ein nasser Schlafsack wärmt eben nicht sehr gut. Doch wollen wir nicht meckern, die Nacht war wenigstens trocken! Da Robbi mal wieder nicht auf die Beine kommt, beginne ich das Zelt einfach abzubauen, die Außenhaut ist ja trocken. Das Maulen verdoppelte sich augenblicklich! Tageslicht und der Wind im Innenzelt waren dann wohl doch etwas zuviel für ihn! Heute wollen wir ein gutes Stück vorankommen, also lassen wir nichts anbrennen. Unsere lebenserfahrenen Ratgeber wollten doch gestern niemals glauben, dass wir Freitag am Kap stehen, aber es ist erst Mittwoch. Frühstück machen wir an einer Tankstelle. Während Bemme beim Waschen ist, poliere ich unsere Schadensstelle. Der Gummiabrieb machte das Ganze schlimmer, als es war. Der Lack und die linke Spoilerecke hat etwas abbekommen, der Rest ist heil. Glücklicherweise war der Schreck größer, als der Schaden. Wir kommen gut voran und machen Station in Narvik. In der Stadt, in der nichts mehr so ist, wie es vor dem Krieg war, steinhilber033 halten wir uns nicht sehr lange auf. Es ist alles sehr zweckmäßig und im tristen Beton gehalten. In der Ferne sehe ich die Erzhafenanlagen, die Schienen der Lapplandbahn, die das Erz von Kiruna kommend in den eisfreien Hafen bringt, liegen direkt neben uns. Gleich neben dem Rathaus steht als Attraktion ein Wegweiser mit Richtungen und Entfernungen zu verschiedenen Orten. Es ist gleich weit zum Nordpol wie nach Eilenburg!? Ein Stück weiter nördlich fahren wir über dem Rombaksfjord. Er ist durch die erbitterten Kämpfe im Krieg nicht nur ein Schiffsfriedhof, sondern sein Ende stellt mit nur 6,5 Kilometern auch die schmalste norwegische Landstelle dar. Pünktlich zum Mittagessen erreichen wir Bardufoss. Auf diesem Stützpunkt war mein Opa stationiert, doch heute landen dort meist Verkehrsflugzeuge auf dem modernen Flughafen. Militärisch wird das Areal auf jeden Fall genutzt, Norwegen war und ist für die NATO aufgrund der Lage sehr "wichtig". steinhilber034 Wir folgen weiter der E6 bis Nordkjosbotn, wo wir die E8 nach Tromsø nehmen. Auch hiervon hat mein Großvater oft erzählt, hier reizt uns besonders die 1965 erbaute Eismeerkathedrale, deren Architektonik das Nordlicht in der dunkeln Jahreszeit symbolisieren soll. Die Stadt in Insellage wird von einer 43 Meter hohen Bogenbrücke mit dem Festland verbunden und war berühmt als Ausgangshafen für Robbenfang und Polarexpeditionen. Im Hafen sehen wir in den phantastischen Lichtverhältnissen ein Schiff in den typischen Farben der Hurtigruten. Die weitere Strecke des Tages meistern wir mit Traumwetter und wunderschöner Natur. Die E6 führt direkt am Wasser entlang und liefert immerfort Fotoobjekte. Es gelingt uns, einige schöne Perspektiven einzufangen, doch die meisten habe ich in den Erinnerungen fest abgespeichert. Ein Stück nördlich Breivik schlagen wir nach erfolgreichen 577 Kilometern unser Nachtlager auf.

Tag 12 - 25. August 2005 - Hammerfest mit leichten Problemchen

steinhilber035 Wir hatten eine trockene milde Nacht, aber unser Plätzchen liegt im Schatten. Nach dem Abbauen folgt eine kleine "Warmfahrrunde" für Auto und uns. Auf einem kleinen Pass finden wir ein sonniges Plätzchen, inmitten einer Herde neugieriger Schafe. Das Frühstück wird vom obligatorischen Trocknen begleitet. In Alta machen wir eine kleine Tankpause, erst hier fällt mir diese sonderbare Aufbruchstimmung auf. Viele Souvenirshops haben bereits geschlossen, kleinere Läden ebenso. Unser Tankwart ist neugierig, spricht aber kaum Englisch, so verständigen wir uns mit Händen und Füßen. Er erzählt von seinem Amischlitten und belächelt unseren "Hubraum". Zum Abschied macht er uns klar, dass wir alles für die Hälfte kaufen können, was verderblich ist, denn er macht am Sonntag zu. Der Winter kommt! Er gibt uns zwei Wimpel zum Supersonderpreis und wir verabschieden uns. Die nächste Station soll Hammerfest sein, aber zuerst noch ein gutes Stück E6. Auf einer endlos langen Gerade mitten im Nirgendwo hören wir ein komische Klappern, dass vorher nicht da war. Es wird zwar nicht lauter, aber es stört mich doch sehr! Die hinterste Auspuffaufhängung ist lose und das Endrohr klappert in der Spoilerdurchführung, die Mutter hatte wohl keine Lust mehr, mitzufahren. So ganz nebenbei erklärt Bemme, dass wir zwar Ersatzteile und gut drei Dutzend Zündkerzen für noch zwei Pappen dabei haben, er aber sämtliche Schrauben und Muttern vergessen hat?! Kreisch! Ich bin stockig und mache Mittag, der Büchsenöffner macht mich alle. Vielleicht sollte ich das Beil zum Öffnen verwenden? Egal, zur "Strafe" gibt es Erbsen! Woher zaubere ich jetzt eine Mutter? Die Schraube ist noch da… Abschrauben, wo sie niemand braucht! Am Auto gibt es keine, aber da steht doch ein Informationsschild… Fix die Ratsche zusammengebaut gehe ich auf Mutternsuche. steinhilber036 Zur Sicherheit schraube ich zwei ab, der Tag ist gerettet. Durch den neckisch tiefen Heckspoiler fluche ich die Mutter mehr dran, als ich schraube. Der warme Wind bläst mir ständig Staub ins Gesicht, und den Gaskocher fast aus. Doch haben wir auch das überstanden und fahren weiter. Hier sieht man schon die ersten Rentiere auf den Weiden, eines auch direkt auf der Straße. Bis Hammerfest sollen es noch viele mehr werden! Speziell die weißen Rentiere haben es mir angetan. Bei den Samen, oder auch Lappen genannt, genießen sie einen besonderen Status, für sie sind sie fast heilig. Der erste Anblick von Hammerfest ist ernüchternd, von der nördlichsten Stadt der Erde habe ich etwas mehr erwartet. Viele Geschäfte sind verwaist, manches sieht echt runtergekommen aus. Auf den ersten Blick erinnert mich der Ort an eine Kleinstadt, in der ich 8 Jahre meines Lebens verschwendet habe, worin ich mir mit Robbi einig bin. Der erste Tiefschlag ist die Öffnungszeit des Museums im Rathaus. Seit 14 Uhr geschlossen!? Bingo, es ist 14 Uhr 25, der blöde Auspuff ist schuld! Wir suchen den Eisbärenclub, finden das alte Gebäude und stellen fest, dass er umgezogen ist. Irgendwann finden wir auch die neue Adresse, auch geschlossen!? Aber ich sehe eine junge Frau darin und klopfe an die steinhilber037 Scheibe, unsere letzte Chance… Ich mach ihr klar, dass wir nur wegen dem Club hier sind und schon 4844 Kilometer gefahren sind und doch bitte noch Mitglied werden möchten. Sie hat zwar ein Date, aber sie gibt uns eine Chance. Während sie die Mitgliedsurkunden ausfüllt, die beweisen, dass man Hammerfest wirklich besucht hat, dürfen wir noch das Museum besuchen. Es stellt im Schwerpunkt die arktische Tierwelt zur Schau, besonders imposant ist der präparierte Eisbär, das eigentliche Wahrzeichen Hammerfests. Am Ausgang bekommen wir die Urkunden, wir sind Mitglieder im zahlenstärksten Club der Welt. Der Rückweg führt uns durch den Hafen bis zur alten Friedhofskapelle, die im Krieg das einzig verschonte Gebäude war. Die neue Betonkirche, die an die Eismeerkathedrale erinnert, steht daneben. Im Gästebuch tragen wir uns ein und ich hinterlasse eine Widmung für meinen Opa. Gleich hinter der Kapelle führt ein steiler Pfad auf die Hügelkette im Rücken der Stadt, von der aus wir alles überblicken können. Draußen vor der Stadt liegt die modernste Erdgasverflüssigungsanlage des Landes und unter der Wasseroberfläche arbeiten Gezeitenkraftwerke, die in Form und Bauweise an Windräder erinnern. An der anderen Stadtseite steht der Meridianstøtten, den wir ebenfalls besuchen. steinhilber038 Er erinnert an die Gradvermessung zwischen 1816 und 1852 von Schweden, Norwegern und Russen zur Feststellung von Form und Größe der Erde. Ein unscheinbarer Betonklotz unmittelbar daneben verdeutlicht die geringe Abweichung. Auf dem Rückweg stehen wir im Ministau mitten in der Stadt, der sich aber schnell auflöst. Schon auf dem Hinweg überlegen wir, wo wir übernachten. Es ist überall starker Wind und es gibt kaum Wald. Mit dem Zelt fliegen wir vermutlich davon! In der Nähe der E6 habe ich einen Campingplatz gesehen, den wir ansteuern. Wir sind die einzigen Gäste und können uns einen Platz aussuchen, das Auto neben dem Zelt ist kein Problem. So haben wir eine vernünftige Wasch- und Kochmöglichkeit, ein echter Luxus. Ein Stück entfernt baut kurz danach ein Brite mit Fahrrad sein Zelt auf, wir haben ihn am Mittag gesehen. Er sagte, er fährt seit fünf Wochen durch Norwegen und will morgen nach Hammerfest auf die Fähre. Ich meine, wer das braucht, soll das ruhig tun. Aber vernünftig scheint mir das erst nach Abschluss der Familienplanung, und so alt sah er auch noch nicht aus… Mit einer erstaunlich hohen Temperatur geht nach 361 Kilometern auch dieser Tag gut zu Ende.

Tag 13 - 26. August 2005 - Das Nordkap mit Nebenwirkungen

steinhilber039 Um 7 Uhr ist die Nacht zu Ende, wir sind total aufgeregt, weil fast am Ziel. Es sind 19 Grad, total mild und leichter Wind. Wir bauen ab und frühstücken mit dem Fahrradfreak, der aber auch los muss. Ein kurzes Stück E6, dann auf die E69 zum Kap. Die Strecke am Porsangen entlang ist einfach traumhaft. Steile Steinstrände mit starker Brandung und Unmengen Treibholz. Dazu dieses Wetter und permanent Rentieralarm. Mit ihrer Tarnfarbe sieht man sie sehr spät und wir wollen nicht auf den letzten Metern Probleme bekommen. Um auf die Kapinsel Magerøya zu kommen, müssen wir durch den neuen Tunnel. Das macht dann 184 NOK Maut… Tja, also äh…mit soviel hatte ich nicht gerechnet und die nächste Bank, die wir ohnehin brauchen, ist in Honningsvag, quasi nach dem Tunnel. Wir fragen ihn, ob wir auf dem Rückweg zahlen können, er sieht da kein Problem. Glück gehabt! Honningsvag empfängt uns mit einer Industrieruine samt vergammelnder Öltanks und der "Maxim Gorki" im Hafen. Eine Bank ist schnell gefunden, der Supermarkt auch. Frisch mit Lebensmitteln eingedeckt kommen zum Auto, wir haben einen schönen Aufkleber vom "Caravaningclub Nordkapp" bekommen. Robbi's Lieblingskekse haben wir auch dabei. Er vertritt die Auffassung, dass sie so schlecht sind, dass man von sehr wenigen einfach satt ist. Ich weiß nicht, was er will, die sind gut. Viel besser, als die BW-Hartkekse, die man in Verbindung mit Schuhcreme auch als Kohlenanzünder benutzen kann. Nun kann uns aber absolut nichts mehr aufhalten! Die letzten Kilometer sind ein einziges auf und ab mit beeindruckender Landschaft und verstreuten Rentieren abseits der Straße. Irgendwann sehen wir ein Ende am Horizont, da geht es nicht weiter. Nachdem wir den "Unkostenbeitrag" steinhilber040 bezahlt haben, dürfen wir das "Nordkapp-Areal" befahren. Wir sind angekommen, ganz oben, nach 5086 Kilometern seit Eilenburg, um 11 Uhr 30!!! Weiter nach Norden geht es nicht mit dem Auto, wir müssen schon schwimmen, wenn wir noch weiter wollen. Wir sind richtig gut drauf und feiern über die ganze Zweiflerfraktion, die Womo-Fahrer am Saltstraumen haben wir noch im Hinterkopf. Es geht ja doch, wir waren sicher nicht die schnellsten, doch wir haben eine unvergessliche Strecke hinter uns. Es ist vielleicht nur ein Felsen, leicht überteuert, aber ich habe lange auf diesen Anblick gewartet. Wir stehen hier 2092 Kilometer vom Nordpol entfernt, selbst Murmansk ist weiter im Süden! Unser Wetterglück ist wieder unverschämt, Sonne und starker Wind. Kein Nebel oder Regen, was hier zu beinahe 90 % des Jahres so sein soll. In der "Nordkapp-Halle" machen wir einen langen Rundgang, es ist nur sehr wenig Andrang, auch der riesige Parkplatz ist fast leer. Im Souvenirladen kaufen wir die obligatorischen Postkarten samt Briefmarken. Die Schreiberei artet in Arbeit aus, erst zu Hause fällt mir ein, dass ich einer Menge Leuten vergaß, zu schreiben. Am Briefkasten steht, dass garantiert ein "Nordkapp"-Stempel auf alle Sendungen kommt. Na hoffentlich! Draußen machen wir eine Menge Fotos, wir sind nicht jeden Tag hier. Die Barentssee liegt tiefblau unter uns, die "Maxim Gorki" passiert etwas entfernt das Kap. Zu unserer Linken ist der Knivskjellodden zu sehen, der eigentlich nördlichste Punkt Europas, leider nur zu Fuß zu erreichen und etwa 1450 steinhilber041 Meter nördlicher. Am Rand der Steilküste ist der Wind so stark, dass ich kein Stativ aufbauen kann, es entstehen leider nur Einzelbilder. Die Anzahl der Leute hat sich plötzlich verhundertfacht, das Durchschnittsalter auch. Die Erklärung liegt in den sechs Bussen vor der Halle. Wie ein Heuschreckenschwarm fallen sie über alles her, am verbitterten Blick erkennt man sofort die deutschen Rentner, die gut drei Viertel der Menge ausmachen. Mir kommt doch noch die verrückte Idee, ein Bild mit der Pappe vor dem Globus zu machen… Meine einzige Chance besteht darin, den süßen Engel an der Rezeption zu überreden. Aber erst müssen die Rentner weg! Mit meinem Siebentagebart wird das nicht leicht werden. Nach kurzem Gespräch bemerke ich, dass sie ihre Krallen ausfährt und mit diplomatischem "Nachdruck" darauf hinweist, dass wir nur bis vor die Halle fahren dürfen. Wir sind wohl nicht die ersten Nachfrager gewesen… So machen wir noch Fotos vor der Halle, es besteht immer die Gefahr, dass jemand ins Bild rennt, der da nicht hingehört. Nur gut, die Busse sind weg, es klappt alles ohne Probleme. Punkt 15 Uhr brechen wir auf, schon jetzt etwas wehleidig, es geht nach Hause. Bei der ersten Gelegenheit stoppen wir zum Mittagessen, das heute viel zu spät serviert wird. Aber dieses "Opfer" bringen wir gern für das Kap! Wir bekommen Besuch, ein thüringischer Einzelkämpfer auf seiner "Transalp" stößt zu uns. Er reist ganz allein schon seit Wochen da oben rum und hat schon viel durch. Er hat einen Elch gesehen, aber eben lieber nicht. Es sei geradeso gut gegangen, wie er meint. Auf dem Rückweg zur E6 müssen wir wieder durch den Tunnel, Geld haben wir jetzt. Der Kassierer hatte Schichtwechsel und seine Ablösung uns vergessen. Wir "beschweren" uns nicht, denn vielleicht kommt die Rechnung noch per Post? Wieder auf der Hauptstraße müssen wir tanken, sonst wird es knapp, die Reserve muss bald kommen. Die einzige Tankstelle hat geschlossen, der Automat nimmt meine Karte nicht!? Nach kurzer Rechnung wird klar, das wird knapp bis gar nichts! Im Notfall das Aggregat leer machen, das Übliche eben. Bis Lakselv muss es klappen, Bemme fährt auf Sparflamme, die Reserve kommt. Das klappt niemals! Wir wissen genau, dass wieder ein paar Liter drin bleiben, der Ofen aber trotzdem stehen bleibt. Bergauf stottert und bockt er schon rum, auf der Geraden geht's, bergab rollt es von allein. Buchstäblich mit dem letzten Tropfen rollen wir in die Tankstelle, beim Abbiegen geht der Motor aus. Bockend und sprotzend rollt er bis zur Zapfsäule. Diese "gelungene" Show ist niemandem entgangen, das Auto steht wieder im Mittelpunkt. Am Ortsrand liegt Banak, wo mein Großvater ebenfalls war. Wir finden zwar den Flugplatz, fotografieren aber vor lauter Militär vorsichtshalber nicht. Die weitere Strecke über Karasjok ist total einsam und verlassen, sie führt mitten durch einen großen Truppenübungsplatz. Es kommt absolut nichts, nur Wald, fast kein Auto. Hier beginnt schon der Herbst, die Blätter werden bunt. Hinter der heimlichen Hauptstadt der Samen finden wir einen schönen Biwakplatz mit einer kleinen Hütte samt Feuerstelle in deren Mitte. Wir brauchen kein Zelt, wunderbar! Wegen der kühlen Temperaturen mache ich ein Feuer. Nach 455 Kilometern geht der Tag vollkommen verräuchert zu Ende.

Tag 14 - 27. August 2005 - "Generalkurs Süd"

steinhilber042 Während der Nacht ist starker Wind aufgekommen, allerdings mit milden Temperaturen. Die Handtücher, die ich zum Trocknen aufhängte, machen sich selbstständig, Staub wirbelt herum. Zur Feier des Tages kommt das Kaffeewasser vom offenen Feuer, der Topf ist kohlrabenschwarz danach und der Kaffee hat eine rauchige Note. Immerhin ist alles trocken geblieben, nur "leicht" verräuchert. Fließend Wasser in Form eines Bachs haben wir auch, was will man mehr? Der weitere Weg nach Kautokeino, der größten norwegischen Samengemeinde und Zentrum dieser Kultur, führt wiederum mitten durch das Nichts. Wir haben seit Karasjok keine Tankstelle oder nennenswerte Siedlungen mehr gesehen, also seit 137 Kilometern. Diese Einsamkeit strahlt eine ganz eigene Atmosphäre aus. Allerorts sieht man diese fast hektische Betriebsamkeit der Bewohner, die Vorbereitungen auf den langen Winter. Derartig große Brennholzhaufen vor jedem Haus habe ich noch nie gesehen! Am Nordkap können die ersten Schneestürme samt Temperaturstürzen bereits Anfang September auftreten, auch zeitigere Ausnahmen wurden bereits beobachtet. Das Landesinnere ist geprägt durch kontinentales Klima, sprich große Temperaturdifferenzen zwischen Tag und Nacht. Wir wollen schnellstmöglich und direkt nach Süden durch, denn es kommt mir vor, als ob der Winter wie eine unheimliche und unsichtbare Erscheinung hinter uns her ist. Die Verkäuferin im einzig noch geöffneten Andenkenladen von Kautokeino bestätigt unsere Sicht der Dinge, die Anzeichen sind unübersehbar. Am 6. Februar 1998 fiel das Quecksilber auf eisige -55 °C! Auch heute wirkt der Ort wenig einladend, es ist fast bedeckt und ein kalter Wind fegt durch die Stadt. Von den 100.000 Rentieren, die hier gehalten werden, sehen wir kein einziges, auch von den 1500 Einwohnern ist fast niemand zu sehen. Wenige Kilometer später sind wir an der steinhilber043 finnischen Grenze, die hier noch bewacht wird. Unsere Pässe will niemand sehen, nur das Auto wird mal wieder ungläubig gemustert. Über ein paar Nebenstraßen schlagen wir uns zur 78 durch, die parallel zur schwedischen Grenze in südlicher Richtung bis zur Ostsee führt. Noch vorher machen wir bei endlich wieder strahlendem Sonnenschein eine Mittagspause an einem der unzähligen Seen. Die 78 geht über ein paar Hügel ohne nennenswerte Kurven fast nur geradeaus, im Wald stehen vereinzelt Rentiere, vor denen per Schild gewarnt wird. Wenigstens können wir hier mit dem Euro bezahlen und sehen den Spritpreis direkt. Gegen 15 Uhr 30 kommen wir an den Polarkreis, den wir hier per Achse überschreiten. Auf dem Parkplatz symbolisiert ihn eine durchgezogene Linie, der Kiosk sieht verwaist aus und wir machen ein paar Fotos samt Kaffeepause. Kurz vor der schwedischen Grenze tanken wir nochmals alles voll, was geht, denn wir brauchen jeden Tropfen für den langen Weg. In Schweden lernen wir die E4 kennen, und hassen! Unmengen Verkehr schlängeln sich nach Süden, die Straße ist entsetzlich lang(weilig) und mit Blitzern übersät. Mein Bruder freut sich besonders über die unzähligen Kreisverkehre, die er schon in Norwegen "lieben" lernte. In einem ruhigen Waldstück finden wir nach 634 Tageskilometern südlich Kalix einen Nachtplatz.

Tag 15 - 28. August 2005 - E4 bis zum Abriegeln

Die Nacht war wirklich frisch, also schnell alles abbauen und im Auto aufwärmen. Nach wenigen Metern hat uns die E4 wieder, die wir heute noch lange beehren werden. Kaffee gibt es erst spät, denn wir finden nur hässliche Haltebuchten an der befahrenen Straße. Wenn ich bedenke, dass wir auf dieser monotonen Piste noch runter bis nach Gävle müssen, wird mir schlecht! Pünktlich zum Mittag fahren wir Tanken, alles voll bis Oberkante, und bezahlen mit Karte, die sie hier wieder akzeptieren. Wie oft ich das auch durchrechne, es wird einfach nicht kürzer!!! Ich will hier nur noch weg, die fahren genauso wie bei uns. Diesen Verkehr sind wir überhaupt nicht mehr gewöhnt, der Fahrstil ist gegen Norwegen schon aggressiv. Überhaupt kommen mir die Schweden kühl und reserviert vor. Die Finnen gestern waren total cool und aufgeschlossen. Da müssen wir wohl durch! Wenigstens ist Sonntag, da sind weniger LKW unterwegs, sonst wäre hier noch mehr los. Ich spiele mit dem Gedanken, nicht bis Gedser zu fahren, sondern die Fähre in Trelleborg zu nehmen. Diese ist zwar teurer, aber wir sparen über 200 Kilometer und die Maut der Öresundbrücke. Das wird aber frühestens morgen werden… Mein erklärtes Tagesziel ist und bleibt Gävle! Das ist eine einzige Tortur und die Stimmung ist am Kippen. Irgendwie mag ich Schweden nicht, aber ich will auch niemandem Unrecht tun. Kurz vor 21 Uhr sind wir endlich in Gävle, hier im Süden ist es schon verdächtig duster um diese Zeit. Über die Nebenstraßen in Südrichtung wollen wir Stockholm umgehen. Endlich weg von der E4! Nun müssen wir nur noch einen Nachtplatz finden, was bei der Bevölkerungsdichte längst nicht so einfach ist, wie noch gestern Abend. Es ist fast dunkel, als wir einfach an einer Einmündung das Zelt aufbauen. Eine ruhige Nacht wird das so nah an der Straße sicher nicht, aber das ist mir nach 835 Kilometern vollkommen gleich.

Tag 16 - 29. August 2005 - Im Eiltempo zur Fähre

steinhilber044 Wie erwartet, war die Nacht sehr laut. Geschlafen haben wir nicht wirklich gut und die Nacht ist 5 Uhr 30 zu Ende, wir haben viel vor uns. Nach der üblichen Aufwärmrunde frühstücken wir an einer Tankstelle. So erledigen wir Tanken, Waschen und den Kaffee in einem Aufwasch. Die Nebenstraßen sind eine gute Wahl, weniger Verkehr und endlich wieder Kurven. Gegen den Norden ist die Landschaft richtig langweilig, nur Wald und wenig Wasser. Per SMS an meine Freundin bekomme ich die Fährinfo von Trelleborg. 22 Uhr 15 ist Abfahrt und 6 Uhr 15 ist sie in Warnemünde. Aber wir müssen erstmal dorthin kommen! Ob wir einen Platz bekommen, wissen wir auch noch nicht… Die Inlandsstraßen machen ja noch Spaß, aber die Küstenstraße 66 gibt uns den wieder den Rest! Das macht wirklich keinen Spaß mehr und wir wollen beide nur noch zur Fähre. Die Rückfahrt war ohnehin sehr "fahrintensiv" geplant, doch ich dachte nicht, dass es so ätzend werden würde. Letztes Jahr sind wir von Italien fast 1000 Kilometer Landstraße am Stück gefahren, das war super. Aber das hier… Die letzten Kilometer ziehen sich wirklich unendlich lang, doch haben wir die Straße fast für uns. Den herrlichen Sonnenuntergang fotografiere ich aus dem Fenster. Endlich in Trelleborg angekommen ist es beinahe dunkel. Wir bahnen uns einen Weg durch die planlos herum irrenden Touris. Ich habe noch immer Bedenken, dass wir vielleicht zu spät sind und keinen Platz mehr bekommen. So sprinte ich zum Schalter, und siehe da, es klappt. Schnell zurück zur Pappe und an die Schlange angestellt. Einen Bettelstudentenrabatt gibt es nicht, aber wir fahren mit. In der langen Wartespur haben wir noch Zeit fürs Abendessen und werden argwöhnisch beäugt. Es ist fast wie in Deutschland, alle schauen verbittert und unnahbar, und ich weiß wieder, was mir die letzten zwei Wochen überhaupt nicht gefehlt hat!? Mit viel blauem Nebel im Schlepp rollen wir auf unser Parkdeck. Nach 873 Kilometern hat sich die Pappe ein paar Stunden Schlaf bei frischer Seeluft redlich verdient. Wir beobachten noch Ablegen und Auslaufen bevor uns einen Schlafplatz suchen. Bemme beschlagnahmt einen Zweisitzer für sich, auf dem er "liegt", wie ein Korkenzieher. Mir tut schon vom Anblick alles weh! Todmüde, wie ich bin, schlafe ich die wenigen Stunden auf dem Boden.

Tag 17 - 30. August 2005 - Die letzten Kilometer und Ankunft

Gegen 5 Uhr kreischt der Wecker, wir wollen wenigstens noch einen Kaffee auf der Fähre abfassen und die Molenpassage in Warnemünde beobachten, bevor wir wieder da sind. Wir rennen beide rum, wie Falschgeld, und reißen auch den Trabbi aus dem Nachtschlaf, um vom Rostocker Seehafen durch den Warnowtunnel schnellstens in meine Studentenbude zu fahren. Dort angekommen wollen wir nur noch duschen und ins Bett fallen, aber es läuft kein warmes Wasser?! Wir sind es ja gewohnt, aber bitte nicht hier! Es muss auch so gehen und wir leben ja noch. Nach ein paar Stunden Schlaf packen wir alles zusammen, was irgendwie die ganzen Tage vernachlässigt wurde. Auch das Auto ist dringend aufräumbedürftig! Wir wollen nicht wie auf der Flucht in Eilenburg ankommen, aber besonders die letzten beiden Tage kamen mir so vor… Fast schon wehmütig denke ich, dass das alles viel zu schnell verging und ich es überhaupt noch nicht verarbeitet habe. Nach dem ersten geregelten Mittagessen seit Tagen machen wir noch eine kleine "Showrunde" mit der Pappe an der Strandpromenade und filmen das Ganze. Nach der definitiv letzten Tankpause dieser Tour treten wir die Heimreise an. Das Gefühl, auf der Autobahn zu "parken" stört mich nun auch nicht mehr. Ich lasse Robbi diese letzten Kilometer fahren, das lässt er sich nicht nehmen. Das Wetter zeigt sich nochmals von seiner besten Seite und wir erreichen Eilenburg nach 407 Tageskilometern und einer Gesamtstrecke von exakt 8100 Kilometern nach einem siebzehntägigen Abenteuer. Bemme ist überglücklich, wir und die Pappe haben es wirklich geschafft, was Keiner für möglich hielt. Vor dem Hauseingang ist fast niemand, aber entgangen ist es auch keinem, die wackelnden Gardinen sprechen für sich. Nun beginnt noch die unumgängliche Aufräumorgie, alles muss raus und das Auto wieder in die Garage. Wir quatschen beide unentwegt, haben wir doch wirklich viel zu erzählen. Das Auto ist auf dem Weg zur Garage komplett leer und beschleunigt, dass wir beide nur noch staunen können. Vorerst völlig verdreckt schieben wir die Pappe in die Garage, sie hat es zwar nicht verdient, aber wir arbeiten daran…

Der Tag danach und Fazit…

Nach einer ungewohnt komfortablen Nacht stehen wir auf, ich muss mich erst wieder an einen geregelten Tagesablauf gewöhnen. Nach dem Frühstück gehen wir in die Garage, wir haben einiges zu klären. Der Motor machte seit der Abfahrt Geräusche, doch nur, wenn er kalt war. Es wurde nicht schlimmer, manche Tage war es weg, andere wieder sehr penetrant. Wir schieben es auf ein Lüfterblech, doch daran liegt es nicht. Als wir alles abgebaut haben, ist das Geräusch noch immer da. Es kommt von innen! Nachdem Zylinder und Kolben ab sind, klingt die Kurbelwelle gesund. Ein Nadellager hat ausgehaucht und die Kolbenhemden sind schwarz, auf den Kolbenböden sind dicke Ölkohleschichten. Also bauen wir intakte Zylinder samt Kolben ein und das Klappern ist weg! Das zwitschernde Geräusch an der rechten hinteren Radaufhängung gibt uns Rätsel auf, wir finden aber nichts. Die hinteren Radlager sind am Ende, das waren sie vorher auch schon und wir hatten sowieso neue mit, falls sie unterwegs aushauchen. Sie sind schnell gewechselt. Das Armaturenbrett klappert seit meinem eingeklemmten Stöckchen in Südnorwegen auch nicht mehr und am Tacho, den wir nach kalten Nächten mit einem Klaps "wecken" mussten, machen wir auch nichts. Das darf sich das Auto einfach leisten! Die große Autowäsche gestaltet sich problematisch, die Insekten haften zu "gut". Alles in allem gibt es keine nennenswerten Probleme.

Nun mag sich mancher fragen, ob das sein muss. Die Antwort: Ja!!! Oder ob das nicht Wahnsinn ist? Nein, warum? Alle haben gesagt, das wird nichts, wir haben ihnen das Gegenteil bewiesen. Es war alles kalkulierbar, wir hatten alles mit und wissen uns zu helfen. Die Tour war phantastisch, Landschaft, Leute und Wetter waren einmalig. Es war sicher nicht immer einfach und die Stimmung war zuweilen am Boden, aber ich würde es jederzeit wieder machen. Ich habe lange gebraucht, um alles zu verarbeiten, diese Schreiberei samt den vielen Fotos hat viel dazu beigetragen. Ich bereue keinen Meter dieser Fahrt und bin in Gedanken noch immer oft weit oben im Norden bei den Rentieren und der unglaublichen Landschaft, die noch viel schöner ist, als ich mir das aus dem alten Buch vorstellen konnte. Erst jetzt kann ich meinen Großvater wirklich verstehen, den dieses Land bis heute nicht losgelassen hat. Ich werde ebenso "enden", dieser Besuch In Norwegen war mit Sicherheit nicht mein letzter. Kaum ist dieses Tour zu Ende und das Auto wieder fit, planen wir schon die nächste Aktion. Cesenatico wird uns im nächsten Jahr wieder sehen, das ist machbar, denn viel Zeit werde ich nicht haben. Einen Traum hätte ich schon noch: Über Portugal nach Nordafrika in den Hochatlas und entlang der Küste zu den Pyramiden von Gizeh und mit der Fähre über Griechenland zurück… Ich habe zwar im Moment keine Ahnung, wie ich das mit dem Urlaub und der Finanzierung machen soll, aber man darf gespannt sein…


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